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■ Erste Lesbenhochzeit in TschechienGlückwünsche an den Bräutigam

Prag (taz) – Blesk heißt „Blitzlicht“. In Prag ist Blesk so etwas wie die ganz, ganz große meinungsbildende Gazette in Deutschland. Und Monika B. ist an der Moldau etwas Ähnliches wie Hella von Sinnen am Rhein. Nicht ganz so keck, nicht ganz so meinungsfroh. Aber sie weiß, was sie will. Und dafür hat Blesk sie belohnt. Auf der prominenten Seite 1 läßt das Blatt seine Leser wissen, daß sich die 29jährige Verlegerin der Zeitschrift Monologe getraut hat: Im Prager Rathaus hat sie ihrer Freundin Alena F. das Jawort erteilt – die erste Lesbenhochzeit in Tschechien seit Menschengedenken.

Ohne Pomp und Gloria: Die beiden Frauen zogen Samstag nachmittag um Punkt eins ins Rathaus am Altstädter Ring, also dort, wo die Apostel jede Stunde über der astronomischen Rathausuhr ihre Runde drehen und wo eigentlich nur Bräute mit weißen Riesenschleiern in Edelkarossen vorgefahren werden.

Die Freundin der zwei Lesben hielt eine, wie eine Kollegin fand, „rührende Rede“ – nicht larmoyant, nicht anklagend, sondern mit maximaler Selbstverständlichkeit. Trauringe gab es nicht. Statt dessen legte die Rednerin dem frisch vermählten Paar Bänder um den Hals. Dann floß Sekt.

„Das ist doch ekelhaft“, sagt die Prager Portiersfrau Anna Kholova. Sie weiß zwar aus den zahlreichen Illustrierten, daß es eine „tiefe Zuneigung unter Frauen“ gibt. Doch für sie ist das Ganze eine „Modeerscheinung“. Mehr möchte die Mittfünfzigerin nicht sagen. Im Moment interessiert sie nur ein vor ihr liegendes Busen- und Revolverblatt. Titelgeschichte: „Nach der Liebesnacht mit einem anderen packte mich das heulende Elend“.

Frau Kholovas Äußerung wundert kaum. Blesk hat seine werte Leserschaft prompt zu einer telefonischen Umfrage aufgefordert. Und wenn Blesk sich nicht verhört hat, sagen über 90 von 100 Anrufern „nein“ zu derart „unmoralischem“ Gebaren. Nur sechs Prozent der Boulevardmenschen wollen die rein weibliche Hoch-Zeit goutieren. Und nicht nur bei Blesk klingelte das Telefon: Zahlreiche Menschen riefen Monika und Alena an. „Beste Glückwünsche an den Bräutigam“, sagten die einen, „wer ist die Frau, wer ist der Mann“, fragten die anderen.

Natürlich war die Hochzeit ernst gemeint. Gleichwohl war sie auch ein, wie man neuerlich so sagt, Fake. Oder vielleicht eine Art samtene Lesbenrevolution. Denn auch Tschechien ist weit davon entfernt, gleichgeschlechtliche Beziehungen gesetzlich zu verankern. Viele schwule und lesbische Beziehungen finden mangels gesellschaftlicher Akzeptanz nur hinter Wohnungstüren oder denen einschlägiger Clubs statt. In ihrem Heimatdorf, sagt Alena, mußte sie ihre „Liebe stets bedeckt halten“. Nun ist sie sich sicher, daß Offenheit nur guttut. Deshalb blieb Blesk auch am Thema dran und zog wenige Tage später eine Reportage über Monikas und Alenas Privatleben nach. Über ihre schnurrenden Kätzchen in der Wohnung wurde berichtet; und von einer einwöchigen „Küchenorgie“, bei der die Leckereien für die Hochzeit gekocht und gebacken wurden.

Einmal, so Monika, habe sie eine schlechte Erfahrung gemacht. Im Druckhaus hatten Angestellte bei der Produktion der Zeitschrift Monologe einen Fehler gemacht. Als Monika das Desaster monierte, habe der Drucker gebrummelt: Für Lesben arbeite er nicht so akkurat.

Die Blesk-Autorin nimmt das Thema schon ernster: Wenn man sie frage, ob Lesbenhochzeiten in Tschechien legalisiert werden sollten, dann würde sie „ANO“ sagen. Und das heißt „ja“. Tomas Niederberghaus

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