■ Das Portrait: Jerry Rubin
Spaßguerillero Foto: AP
Ein Drogentod hätte zu ihm gepaßt – zumindest zu seinen besten Zeiten, als Jerry Rubin zusammen mit Abbie Hoffman die amerikanische Jugend fürs Establishment verdarb: mit Sit-ins, Smoke-ins, spektakulären Verbrennungen der amerikanischen Flagge und dem Verrücktesten, was man dem kapitalistischen Glauben an Geld und Werte antun kann: der blasphemischen Ausschüttung von Hunderten von Dollarnoten über den Dächern der Wall Street.
Rubin war ein Ketzer des amerikanischen Traums, und seine Gegenreligion verkörperte sich in drei Buchstaben: YIP, „Youth International Party“, deren Gefolgsleute sich slogan- und schlachtrufhaft „Yippies“ nannten. Die einzige, aber damals subversive Idee dahinter: Hab Spaß, trau keinem über Dreißig, love the one you're with, scheiß aufs System, „do it!“.
So oder so ähnlich hätte es auch Herbert Marcuse formulieren können, dessen „Neuer Subjektivität“ die Yippies nahestanden, doch die neue amerikanische Jugend wollte Rock, nicht Theorie. Fragen wie „Warum kann man nicht einfach auf der Straße pissen?“ ersetzten die seminaristische Grübelei über gesellschaftliche Dialektik und repressive Toleranz. Rubin revoltierte, indem er es „einfach“ tat: 1968 marschierte er mit Tausenden anderer Vietnamkriegsgegner vors Weiße Haus, das daraufhin einige Zentimeter in die Luft ging. Während Hoffman sich auf Blumen- Performances verstand, waren Rubins Aktionen tückischer. Nackt trat er, mit einem abgetrennten Schweinekopf bewaffnet, vor den Richter, 200mal wurde er wegen „Mißachtung des Gerichts“ vorgeladen. In seinem Buch „Do it!“, einer Manifest-Biographie auch für bundesdeutsche studentenbewegte Spaßguerilleros wie Kunzelmann, Teufel oder Langhans, beschrieb er die Aktionsformen einer nicht- orthodoxen, jugendlich-hedonistischen Linken, wie sie sich noch heute bei jedem Atommüll-Transport in Spurenelementen wiederfinden.
Doch das frühe Spontitum schwand mit dem Abebben des ganz großen Spaßes an der Sache: Rubin wandelte sich in den Achtzigern vom Yippie zum Yuppie, studierte an der Wall Street die Börse von innen, gab Parties, auf denen er Gesundheitspillen anpries, und verlor jeglichen subkulturellen Glamour. Gestern starb er den banalen Tod eines Bewohners der Innenstädte. Im Alter von 56 Jahren erlag er den Folgen eines Verkehrsunfalls. Groß/Fricke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen