: Richter lassen Indianerhäuptling laufen
Paiakan vom Vorwurf der Vergewaltigung aus Mangel an Beweisen freigesprochen / UNO-Umweltpreisträger setzt sich für ökologisches Wirtschaften ein ■ Aus Rio de Janeiro Astrid Prange
Zwei Jahre lang stand er unter Hausarrest. Seit Montag nachmittag aber darf sich der Indianerhäuptling Paulinho Paiakan wieder frei bewegen. Der Mann vom Stamm der Caiapo in Redencao im brasilianischen Bundesstaat Para wurde vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Der 39jährige Indio und seine 25jährige Frau Irekran waren während der UNO-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro im Juni 1992 beschuldigt worden, ein 18jähriges Mädchen gewaltsam entjungfert zu haben.
Der Freispruch des bekannten Indianerhäuptlings erfolgte laut Richter Elder Lisboa da Costa aus Mangel an Beweisen. Paiakans Ehefrau Irekran, die beim Verhör gestanden hatte, mit ihren Fingern in die Vagina des Opfers eingedrungen zu sein, wurde als strafunfähig eingestuft. Nach brasilianischem Recht steht Irekran Paiakan als Indianerin, die mit den Gesetzen der „weißen Zivilisation“ nicht vertraut ist, unter staatlicher Vormundschaft.
Unterstützung von Body Shop
Die angebliche Vergewaltigung durch den Indianerhäuptling schockte damals die Teilnehmer der UNO-Umweltkonferenz. Die brasilianischen Medien feierten den Vorfall als das Ende der naiven Vorstellung vom „edlen Wilden“ in den grünen Tropen. Paiakan wurde aufgrund seines Einsatz für nachhaltiges Wirtschaften im Amazonas mit dem UNO-Umweltpreis „Global 500“ ausgezeichnet. Der englische Kosmetikkonzern „Body Shop“ sowie die Umweltschutzorganisation „Conservation International“ unterstützen den Indianerstamm bei der Produktion von Kastanienöl, das bei der Herstellung von Haarkosmetik verwendet wird.
Nicht alle Stammesmitglieder beteiligen sich jedoch an den Öko- Wirtschaftsaktivitäten. Laut Greenpeace verdienen einige Caiapo-Häuptlinge an dem illegalen Verkauf von Mahagonyholz (die taz berichtete). Gegen kostenlosen Flugtransport, Versorgung mit Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten erlauben die Indios demnach großen Holzfirmen, das wertvolle Edelholz innerhalb des Reservats zu schlagen.
Markierung von Indianergebieten
Bis jetzt sind erst 51 Prozent der insgesamt 577 Indianerreservate in Brasilien abgegrenzt. Durch die Unterzeichnung eines Vertrag mit der Weltbank und der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Wert von 22 Millionen US-Dollar soll nun am nächsten Montag in der Hauptstadt Brasilia die Markierung der traditionellen Indianergebiete vorangetrieben werden. Die Finanzspritze, die bereits während der UNO-Umweltkonferenz beschlossen worden war, soll insgesamt 114 Indianerreservate im Amazonasgebiet begünstigen. Die traditionellen Lebensräume der 263.000 brasilianischen Indianer machen etwa zehn Prozent des nationalen Territoriums von über acht Millionen Quadratkilometern aus.
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