: Lauwarme Enttäuschung in Brüssel
■ Durch Norwegens Nein gehen dem EU-Budget zwar ein paar Milliarden verloren, aber manchen ist es ganz recht so
Was sollte er auch anderes sagen: Der Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, läßt wissen, daß er über das norwegische Votum gegen den EU-Beitritt enttäuscht ist, daß er aber den Hut zieht und die Entscheidung der norwegischen Bevölkerung respektiert. Soweit zur Tagesordnung.
Geschockt ist niemand in der Brüsseler Verwaltungszentrale, selbst das Wort „enttäuscht“ ist vielleicht schon zu stark gewählt. Schade sei es, faßte der Präsident des Europäischen Parlaments zusammen, aber nicht gravierend für die EU. Die meisten hatten wohl gehofft, daß Norwegen doch noch irgendwie durchrutschen würde. So wie Österreich und Schweden, wo es ebenfalls eine breite Ablehnungsfront in der Bevölkerung gab. Aus einigen Botschaften dringt sogar so etwas wie Erleichterung, auch wenn das niemand laut sagen würde.
Die Mittelmeerländer waren nie besonders begeistert über die Vorstellung, daß in den EU-Gremien zunehmend Nordlichter sitzen werden, die bekanntlich mehr auf Freihandel als auf staatliche Lenkung der Wirtschaft setzen und die bereits bei den Erweiterungsverhandlungen deutlich gemacht hatten, daß sie das britische Unverständnis für die milliardenschweren Ausgleichszahlungen an den ärmeren Süden der EU teilen.
Auch in Frankreich löst die Ablehnung der Norweger keine große Trauer aus. Interessanterweise hat Jacques Delors das gescheiterte Referendum im Norden auch als Zeichen gewertet, daß die EU vor weiteren Aufnahmeverhandlungen mit den zwölf beitrittshungrigen Ländern von Polen bis Zypern erst „eine Pause machen und nachdenken sollte“. Delors stimmt sich schon auf seine mögliche Präsidentschaftskandidatur in Frankreich ein.
Das deutlichste Bedauern kommt darum auch aus Bonn, wo die Nordländer als Bündnispartner für eine rasche Osterweiterung und eine stärker marktwirtschaftliche Ausrichtung der EU gelten.
Für die Europäische Kommission bedeutet die norwegische Ablehnung vor allem technische Arbeit. Für den als Fischereikommissar vorgesehenen Norweger Thorwald Stoltenberg muß nun ein Ersatz gefunden werden. Und die zusätzlichen Einnahmen, die das reiche Norwegen als Nettozahler eingebracht hätte, müssen nun eingespart werden. Die Rede ist von zwei bis drei Milliarden Mark, rund zwei Prozent des EU-Haushalts. Und die Fischfangquoten müssen neu berechnet werden. Spanien und Portugal hatten während der Erweiterungsverhandlungen Zugeständnisse der EU über größere Kontingente aus den norwegischen Fischfanggründen erstritten. Alois Berger, Brüssel
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