: Die gläserne Extrawurst
Günter Behnischs modernes Akademiegebäude am Pariser Platz bleibt dem Senatsbaudirektor Stimmann ein Greuel / Der Architektenkammer fehlt die bauliche „Spannung“ ■ Von Rolf Lautenschläger
Stein bleibt Trumpf, Glas dagegen out. Nach Ansicht von Senatsbaudirektor Hans Stimmann ist das Bauvorhaben der Akademie der Künste am Pariser Platz „so nicht genehmigungsfähig“. Bei dem Entwurf für das neue Atelier- und Ausstellungsgebäude des Architekten Günter Behnisch (Stuttgart) handle es sich zwar „um ein gutes Projekt“. Dennoch verstoße die Planung, so Hans Stimmann am Mittwoch abend vor dem Stadtplanungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses, in wesentlichen Punkten gegen das Reglement der „Gestaltungssatzung“, die Bausenator Wolfgang Nagel für den Platz am Brandenburger Tor erlassen hatte.
Die geplante Architektur mit ihrer großflächigen Glasfront orientiere sich nicht an der Forderung, Stein als Fassaden-Material zu verwenden oder den Bau auf einen Sockel zu heben, sagte der Baudirektor, dem Behnischs transparente Bauten wohl ein Greuel sind. Den Pariser Platz müßten wieder Architekturen im preußischen Outfit rahmen, so Stimmann. Die zukünftigen Bauten des Karrees – die Botschaften der USA, Großbritanniens und Frankreichs sowie die Bauten für die Akademie und die Häuser Liebermann und Sommer oder das Hotel Adlon – sollten sich dem Brandenburger Tor anpassen und nicht, wie Behnischs moderner Glaspalast, Extrawürste bilden. Es gäbe auch „gute steinerne Architektur“, meinte Stimmann. Daß es auch schlechte steinerne und gute gläserne gibt, sagte er nicht. Und welchen Sinn eine Gestaltungssatzung überhaupt macht, die schlechte Investorenarchitektur zu verhindern sucht, aber gute nicht befördert, ließ Stimmann ebenfalls ungerührt. Günter Behnisch verteidigte seinen Entwurf, der aus einem Wettbewerbsverfahren im Mai als Gewinner hervorgegangen war. Sein Akademiehaus, dessen Nordseite auf den Pariser Platz führe, habe der ungünstigen Lichtverhältnissse wegen diese transparente Hülle erhalten, so Behnisch. Zugleich verkörpere die dreißig Meter breite Glasfassade mit dem davorgehängten flexiblen Stahlgitter „natürlich die zeitgemäßen Baumaterialien“.
Der Architekt des Münchener Olympia-Geländes von 1972 und des Bonner Plenarsaals (1992) erinnerte daran, daß der Pariser Platz in seiner Geschichte noch nie von Einheitlichkeit bestimmt, geschweige denn von „baulichen Zwängen wie Gestaltungssatzungen“ geprägt worden war. Es hätte den Pariser Platz des 18. Jahrhunderts, des 19. und des 20. Jahrhunderts gegeben, der jedesmal anders ausgesehen habe. „Welchen Pariser Platz wollen Sie also?“ fragte Behnisch und gab auch gleich die Antwort: „Lassen Sie uns den Pariser Platz des 21. Jahrhunderts bauen.“ Behnisch unterstützte Stimmann und die „Gestaltungssatzung“ dahingehend, daß mit ihr billige Investorenkisten verhindert werden sollten.
Beistand erhielt Behnisch von Cornelius Hertling, Präsident der Berliner Architektenkammer. Der Entwurf kopiere nicht die Geschichte, sondern weise in die Zukunft, sagte Hertling. Er forderte den Baudirektor auf, am Pariser Platz einen „baulichen Diskurs“ und eine „Spannung“ zuzulassen. Den baulichen Diskurs, wenn man ihn überhaupt als solchen bezeichnen kann, führen derzeit vier Entwürfe: So zeigt sich, neben der Akademie, die Planung für das Hotel Adlon in braver historisierender Weise. Die Häuser „Liebermann“ und „Sommer“ von Josef Paul Kleihues, die rechts und links vom Brandenburger Tor entstehen werden, zeichnen dagegen auf eine abstrakte Weise die im Krieg zerstörten Vorbilder nach. Kleihues stellte am Mittwoch die Änderungen vor: Die Bauten reichen nach wie vor nicht an das Tor heran, sie erhalten aber eine längere Fensterfront. Außerdem werde die Sockelzone herausgearbeitet.
Wie die neuen Botschaften aussehen werden, steht noch in den Sternen. Während die Franzosen nach Grundstückskäufen bis 1998 vor Ort sein wollen und die Briten einen Bauwettbewerb angezettelt haben, mauern die Amis, als handle es sich bei der Botschaft um die „Operation Pariser Platz Sturm“.
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