: Basteln wie Greenpeace
Seit 20 Jahren werkt und wirkt Jean Pütz für die „Hobbythek“ ■ Von Martina Keller
Auf seinem Dach sammeln sechs Quadratmeter Vakuumröhren eifrig Sonnenwärme. Im Keller rackert der energiesparende Prototyp einer Gaswärmepumpe. Gegenüber der Wohnungstür hängt die Selbstbauklingel mit einprogrammierter Dudelei. In der Küche bietet „The Drink Master“ seine Dienste an, das geniale Gerät zum Sprudel-Selbermachen. Und im Badezimmer steht handgerührt Karnevalsschminke mit Perlglanzpigmenten. Kein Zweifel: Jean Pütz, Moderator des WDR-Bastelmagazins „Hobbythek“, ist selbst sein größter Fan.
Große Wissenschaft in kleinen Dosen
230 Sendungen hat die Hobbythek schon auf dem Buckel, ein Ende ist noch nicht abzusehen. Die Premiere vor nunmehr 20 Jahren war seinerzeit eine kleine Revolution: Pütz wagte den Versuch, hohe Wissenschaft mit den banalen Dingen des Alltags zu verbinden. Er demonstrierte, wie man Käse macht und Bier braut, klärte über Wasch- und Putzmittel auf und zeigte Kosmetik zum Selbermachen – zur Verärgerung der Schönheitsindustrie. In guten Zeiten hat die Hobbythek mehr als eine Million ZuschauerInnen.
Wer Informationen nachlesen oder Rezepte haben will, kann anschließend kostenlos die sogenannten Hobbytips anfordern. Rund 20 Millionen Hobbybastler nahmen das Angebot bisher an. „Eine bessere Werbung könne es für den WDR kaum geben“, grummelt Pütz, der die Broschüren immer noch aus seinem Produktionsetat finanziert.
Gar nicht so dumm, wie man denkt
Die Hobbythek ist ein selbstgebasteltes Erfolgsprodukt, und ihr schnauzbärtiger Moderator eine Art öffentlich-rechtliches Markenzeichen. Ob er auf dem Fahrrad durch die knallbunte Studiokulisse radelt, in Gummistiefeln die Heimwerkerleiter besteigt oder auf dem Dach des eigenen Hauses seine Solaranlage vorführt – stets präsentiert sich Pütz seinem Publikum als einer von ihnen, als Mann aus dem Volk. Als Zielgruppe stellte er sich den Handwerker vor, „der nicht dumm ist, sich aber als dumm empfindet“, sagt er und verweist gerne darauf, daß er selbst einmal Elektriker war. Man weiß ja, daß er auch einen Hochschulabschluß als Diplomingenieur, einen als Volkswirt und ein Lehramtsstudium in Mathematik und Physik hat.
Keine Rezeptkunde ohne Bastelstunde
Solchermaßen vielseitig vorgebildet verpackt der Didaktiker seine Botschaften in bunte Grafiken und Modelle und garniert sie häufig mit selbstgedrehten Filmen von seinen Reisen. Dahinter steht die bescheidene Maxime, daß alles, was Jean Pütz begegnet, wohl auch den Rest der Welt interessiert.
Ganz spannungsfrei ist die Beziehung zwischen dem Meister und seinen AnhängerInnen allerdings nicht. Vielen Fans geht es in erster Linie um die Hobbythek-Rezepte, Pütz dagegen ist stolz darauf, Gesamtzusammenhänge zu vermitteln: „Wenn die Leute Rezepte haben wollen, müssen sie sich gefälligst auch die Sendung anhören. Das verschachtele ich so, daß nicht irgendwo der Rezeptteil kommt, nach dem man abschalten kann.“
Im Netz der Spinne Marktwirtschaft
Immerhin sorgte er dafür, daß die ZuschauerInnen stets wußten, wo es die Zutaten zu den Hobbythek- Rezepten zu kaufen gab. Ein schwungvoller Zubehörhandel entwickelte sich, und am besten kamen die Gelsenkirchener Unternehmer Barbara und Peter Kremer ins Geschäft.
Heute umfaßt Ihre „Spinnrad“- Kette 117 Filialen im gesamten Bundesgebiet. Den rasanten Aufstieg verdanken die Geschwister vor allem der Hobbythek: „Wenn der Pütz eine schlechte Sendung machte, bin ich nervös geworden“, erinnert sich Peter Kremer. Heute macht die Kette zwar nur noch ein Fünftel ihres Umsatzes mit Hobbythekprodukten, doch deren positives Image ist für Spinnrad nach wie vor bares Geld wert.
Viele Branchenkenner fragen sich deshalb, ob vom großen Spinnrad-Kuchen nicht auch für Jean Pütz etwas abgefallen sei. Solche Vermutungen weist der 58jährige empört von sich. „Ich habe nie auch nur einen Pfennig an der Hobbythek verdient.“
Das Zubrot des Hobbybäckers
Allerdings ist seine Sendung ohne Hinweis auf Hobbythek-Bücher so undenkbar wie ein Pütz ohne Schnurrbart. Der clevere Moderator hat sich mit den Begleitpublikationen auf ganz legalem Weg eine beträchtliche Einnahmequelle verschafft. Die bislang erschienenen 26 Hobbythek-Bücher mit einer Gesamtauflage von rund drei Millionen Exemplaren dürften dem fleißigen Autor ein gutes Zubrot eingebracht haben. „Pütz ist der einzige, der eine kostenlose PR- Sendung für seine Bücher hat“, spottet Jürgen Stellpflug, Chefredakteur des Öko-Test-Magazins.
Allerdings muß er Pütz zugute halten, daß der dank seiner Popularität so manchen Bewußtseinsprozeß befördert habe. Davon ist auch Pütz überzeugt: Er habe „die Brennwerttechnik auf Anhieb populär gemacht“ und „dem Transfair-Kaffee zum endgültigen Durchbruch verholfen.“ Oder auch: „Ich mache die gleiche Politik wie Greenpeace, wenn ich ein Produkt sehe, das mir gefällt.“
Bei der Wahl seiner Produkte hat Pütz allerdings auch schon kräftig daneben gelangt. So wetterte das Münchner Umweltmagazin Natur gegen das ansonsten vielgelobte Baukastenwaschmittel der Hobbythek. Es enthält das Retortenenzym Biozym F und verhalf damit der Gentechnik zum Einzug in deutsche Haushalte. Auch das Öko-Test-Magazin nahm den Bastler unter Beschuß, weil er für seine Kosmetik hautreizende Emulgatoren und eine Zeitlang sogar den allergieauslösenden Konservierungsstoff Kathon empfahl.
Mit Natur hat das alles wenig zu tun, auch wenn Spinnrad gerne das Logo „natürlich!“ auf Fläschchen und Tiegel druckt. Weil so manches Mittelchen hinter den strengen ökologischen Ansprüchen des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren zurückbleibt, werden die „Spinnrad“-Präparate in den Bioläden nicht geführt.
Der Hobbythek-Macher bekam in seinen Anfangsjahren viel Lob dafür, daß er Fertigprodukte entzauberte und dem industriekritischen Publikum Rezepte zum Selbermachen an die Hand gab.
Die süße Pille der Chemie
Doch inzwischen sind die Bastler müde geworden, und Pütz ist selbst unter die Schöpfer halbfertiger Waren gegangen. So entlarvte er in seiner Sendung „Fit durch Früchte und Getränke“ zunächst die Werbung für isotonische Sportdrinks als „Gewäsch von Sprüchen und Behauptungen“, um dann als Alternative eine Kombination aus Fruchtsirup, diversen Mineral- und Vitaminpräparaten und Süßstoffpillen anzupreisen.
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