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Konstruktionsfehler der Estonia lange bekannt

■ Warnungen seit 1988 wurden ignoriert

Stockholm (taz) – Die mehr als 900 Menschen, die beim Untergang der Fähre Estonia in der Ostsee starben, fielen möglicherweise der Schlafmützigkeit der Seesicherheitsbehörden zum Opfer. Nach der Analyse der Bugklappe der Estonia steht fest, daß ihre Verriegelungen und Verankerungen im Sturm durchbrachen und die Fähre für die Wassermassen öffneten. Tuomo Karppinen, finnischer Leiter der Havariekommission: „Die Verschlußmechanismen waren zu schwach.“

Da der Sturm nicht besonders stark war, muß zumindest ein Teil der Ursache auf den Reißbrettern der Meyer-Werft in Papenburg gesucht werden. Deren Techniker berechneten, welche Kräfte auf den Bug der Estonia einwirken. Alles deutet darauf hin, daß dies damals im Einklang mit den geltenden Vorschriften geschah, so Karppinen.

Doch ernste Zwischenfälle mit gleichartigen Fähren zeigten immer wieder, daß die Bugklappen nicht genug gesichert sind. Deshalb forderte die norwegische Klassifizierungsgesellschaft Norske Veritas schon 1988 einen um 20 Prozent stabileren Verschlußmechanismus und verschärfte den Wert 1993 nochmals. Alle Seesicherheitsbehörden wurden darauf hingewiesen, ohne daß etwas geschah, weder in Skandinavien noch in Deutschland. Auf die Sicherung der Estonia hatte dies ebenfalls keinen Einfluß. „Wir haben das Schiff nicht nach den Vorschriften von Norske Veritas gebaut“, so die Meyer-Sprecherin Claudia Pielage. Die Werft habe sich an die Vorschriften einer anderen Klassifizierungsgesellschaft gehalten. Die habe die Bugklappe nicht moniert, auch nicht im nachhinein.

Allein in der Ostsee fuhren zehn als gefährlich erkannte Fähren weiter – und verkehren zum größten Teil noch heute. „Wir haben das nicht so ernst genommen“, so Roger Sundström von der schwedischen Seesicherheitsbehörde. Gestern trafen sich nun Vertreter der skandinavischen Seesicherheitsbehörden in Helsinki. Ihr Ziel: Ab 1996 strengere Vorschriften gemäß der Forderung von Norske Veritas für Fähren unter skandinavischer Flagge.

Für Fähren aus anderen Ländern gelten hingegen weiter die unzureichenden Altvorschriften, die die Schiffe im Sturm zu potentiellen Särgen machen. Reinhard Wolff

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