: Uni – ein meeting point?
■ Der „Boulevard“ wird umgebaut: Uni kriegt einen Mittelpunk / Architektenwettbewerb
Lautlos wird der Niederflurwagen der Linie 6 in den glasumbauten Zentralbereich der Universität rollen. Glückliche schicke Studenten werden aussteigen, auf den überdimensionalen Anzeigetafeln Neues über verlegte Veranstaltungen und das breite Kulturangebot der Uni erfahren, sich im Zeitungsshop eben die taz & Handelsblatt holen, im Stehcafé nebenan einen Espresso nehmen und dann in die Vorlesung entschweben. In der freundlichen Airport-Atmosphäre haben selbst nächtens nach dem Kolloqium über Geschlechterdifferenz oder einer Premiere des Uni-Theaters Frauen keine Angst mehr vor Winkeln und Männern darin. Ein ausgeklügeltes Info-System wird niemanden mehr auf der Suche nach „GW II B 3890“ alleinlassen. Uniferne werden im Supermarkt am „Marktplatz“ einkaufen und den Buchladen frequentieren.
Im Jahr 2.000 kann das alles wahr sein. Erstens wird wahrscheinlich ab 1996 die Straßenbahn Linie 6, die bislang an der Kulenkampffallee Kehrt macht, bis zur Uni verlängert werden. Zweitens ist der finstere, schuddelige Irrtum „Uniboulevard“ enorm sanierungsbedürftig. Drittens braucht eine Uni, in der sich tags die Bevölkerung einer Kleinstadt aufhält, einen Mittelpunkt. In der Uni wurden gestern die Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs vorgestellt; der erste Preis ging an die obige Vision. Deren Motto: „Leichtigkeit und Transparenz“.
Der Boulevard muß ein anderer werden – das beherzigten alle beteiligten Architekten. Der eine sah ihn als Brücke, die nur noch kein Wasser überspannte, was er durch einen See ändern wollte (Kritik der Jury: Quadratmeterverschwendung). Andere wollten stattdessen ein Hochhaus. Ein drittes Büro wollte soviel Erde bewegen, daß der Boulevard geradezu eingeebnet und die Straßenbahn zur U-Bahn würde (zuviel Erde – zuviel Geld). Ansonsten redete die Jury kaum über Geld, freute sich aber, daß die Airport-Lösung des Büros Alsop & Störmer aus Hamburg neben einer erfreulichen Vision auch eine Sparversion ist. Kaum etwas muß abgerissen werden, und umbaute Luft ist billig. Gottfried Zantke, Leiter des Bauamts („Mr.Poller“) wagte gestern aber noch keinerlei Prognose, was der Umbau kostet.
Nach dem augenblicklichen Stand der Planungen erhält auch der Boulevard wieder ein Dach, natürlich hoch, hell und leicht. Das in einem abweisenden Winkel versteckte Uni-Theater wird optisch an den Zentralbereich „angeschlossen“. Vielleicht springt beim Umbau sogar noch ein kleiner Lustgarten heraus. Die Neue Zeit ist natürlich autofrei. Nur die Straßenbahn gleitet in den „Meeting Point“-Bereich. Autonarren müssen auf dem Parkplatz bleiben und zahlen.
Der ausgewählte Entwurf wurde von den Juroren (Vertreter der Uni, des Bauressorts, des Ortsamts und Architekten) beinahe gutgeheißen. Ein (auswärtiger) Architekt hat sich übrigens durch Unkenntnis aktueller lokaler Streitigkeiten selbst disqualifizierte: Er empfahl die Errichtung eines „Klangturms“!
Burkhard Straßmann
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