Ein Konzentrationslager mitten in der Stadt

■ Mahnmal für das KZ Columbiahaus nach sechsjährigem Hickhack aufgestellt

Sechs Jahre lang mußte der Bildhauer Georg Seibert darauf warten, sein von der BVV Tempelhof bestelltes Werk aufstellen zu können. Am Mittwoch endlich hievte ein Kran das acht Meter lange und fast drei Meter hohe Stahlkunstwerk auf das Fundament am Tempelhofer Columbiadamm Ecke Golßener Straße. Am Samstag wird es vom Tempelhofer Volksbildungsstadtrat Klaus Wowereit (SPD) feierlich eingeweiht. Die Skulptur sieht aus wie ein Haus und soll an ein längst abgerissenes Gebäude erinnern: an das Gefängnis und Konzentrationslager Columbiahaus.

Vor sechs Jahren hatte die Tempelhofer Bezirksverordnetenversammlung die Aufstellung des Denkmals beschlossen, damals aber nicht daran gedacht, welch vielgestaltige Bedenken in Bürokratenhirnen reifen können. Die Herren vom Tiefbauamt machten sich ausnahmsweise für die Belange der Radfahrer stark. Seiberts Werk dürfe auf keinen Fall am ursprünglichen Standort des Columbiahauses aufgestellt werden, da selbiger sich heute in einen Grünstreifen verwandelt hat und an einen Radweg grenzt. Auch die um Hilfe angegangenen Alliierten, in Gestalt der damals noch auf dem angrenzenden Flughafen Tempelhof residierenden US-Amerikaner, wollten ihr Gelände „aus Sicherheitsgründen“ mahnmalfrei sehen. Als ginge es um ein Atommüllager, wurde der Standort für das Kunstwerk ergebnislos hin- und hergeschoben.

Jetzt hat es endlich weiter nördlich auf dem Columbiadamm seinen Platz gefunden. Der Bildhauer hat sein „Haus“ zur belebten Straßenseite mit einer Außenwand abgeschirmt und zur Fußgängerseite geöffnet. Dort erinnern massiv und gewalttätig wirkende Trennwände an die Zellen des früheren Gefängnisses, eine Inschrift in der inneren Giebelwand verweist auf die Geschichte des Columbiahauses.

Das Gebäude war von 1933 bis 1936 eine Folterstätte der Nazis. Rund 8.000 Häftlinge wurden dort gefangengehalten, gefoltert und ermordet. Viele von ihnen waren politische Gefangene, die zum Verhör ins „Hausgefängnis“ der Gestapo in der Prinz-Albrecht- Straße – auf dessen Gelände heute die Stiftung „Topographie des Terrors“ angesiedelt ist – gebracht wurden. Der Kabarettist und Schauspieler Werner Finck oder der Sozialdemokrat Franz Neumann gehörte ebenso dazu wie der Ringer Werner Seelenbinder oder, kurzzeitig, Erich Honecker. Nach dem sogenannten Röhm-Putsch saßen dort auch die in Ungnade gefallenen SA-Männer. Als die Nazis den Flughafen Tempelhof zu Kriegszwecken ausbauen wollten, wurde das KZ 1936 aufgelöst und abgerissen und die Insassen nach Sachsenhausen gebracht. Jahrzehntelang erinnerte nichts und niemand mehr an dieses erste KZ mitten in der City. Ute Scheub