Schauspielhaus: „Mondsüchtig“

Als Erwachsener hat man es gut. Da mag man noch so schlecht träumen in der Nacht, man legt sich dennoch wieder ruhig ins Bett: Es war ja nur ein Traum. Als Kind jedoch bleibt man wach und will nicht einschlafen, starrt aus dem Fenster auf den Mond, der einen auf das Kissen strahlt. Du und ich allein im Mondenschein? Von wegen, bloß die Decke übern Kopf.

Dabei ist er doch so schön – der Mond. Kein Wunder, daß er tausendfach besungen und bedichtet wurde; ein kleines Wunder aber, was sich der musikalische Leiter des Schauspielhauses, Franz Wittenbrink, ausgedacht hat und Freitag nacht in der dortigen Kantine Premiere hatte: Mondsüchtig – Ein Liederabend über den Mond.

Es war mehr als nur ein vom Pianisten Wittenbrink gelungen zusammengestelltes Programm aus Gedichten und Musikstücken über den Himmelskörper, das die insgesamt 13 SchauspielerInnen vortrugen. Von Ted Herold bis Charles Baudelaire reichte das Spektrum, von Louis Armstrong bis Josef Eichendorff. Von Herzschmerz bis Horror. Von Sehnsucht bis Sex. Von den leuchtenden Sternen an der Stoffdecke bis zum Spanner in der Ecke. All dies kann der Mond sein und war es am Freitag: Es fügte sich zu einem Ganzen, weil die stilistische Vielfalt mit Bedacht gewählt war.

Wie auch der Rahmen, in dem dieser Mitternachtsabend stattfand. Eng war es in der Kantine, brechend voll fast und am Ende furchtbar stickig. Aber wen nervt der leise zu „Mister Sandman“ mitsummende Nebenmann wirklich, wenn's einem selber in der Kehle juckt und von der Bühne ein schräg-göriges Frauentrio diese flotte Nummer persifliert? Das eineinviertelstündige Programm ist voll von solchen Höhepunkten und einen herauszugreifen nicht angebracht. Statt dessen: am 10. oder 31. Dezember hingehen, wenn der Mond aufgegangen ist und die hellen Sternlein prangen.

Clemens Gerlach