Guyana sucht den Weg aus der Schuldenkrise

■ Unabhängige Organisationen erarbeiten alternatives Wirtschaftsprogramm

Georgetown (taz) – Das weltweit erste „Alternative Strukturanpassungsprogramm“ (Asap) wurde am Wochenende in Guyana der Öffentlichkeit vorgestellt. Regierungsunabhängige Organisationen hatten mit Beteiligung der Bevölkerung des südamerikanischen Landes dieses alternative Wirtschaftsprogramm erarbeitet, das die Grundlage für Neuverhandlungen der guyanischen Regierung mit IWF und Weltbank sein soll. Auf einer Konferenz in der Hauptstadt Georgetown erklärte Asap- Initiator Davison Budhoo den Ansatz: „Die Priorität des Internationalen Währungsfonds sind die Schuldenzahlungen. Unsere Priorität dagegen ist die Befriedigung der Grundbedürfnisse.“

Herkömmliche Strukturanpassungsprogramme werden von den Regierungen verschuldeter Staaten mit IWF und Weltbank hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Die Programme beinhalten allesamt Privatisierungen, die Abwertung der Landeswährung, die Öffnung der Märkte, drastische Kürzungen der Subventionen und Sozialausgaben sowie strenge Geldmengen- und Ausgabenkontrollen. Nur so erhält das Schuldnerland die dringend benötigten Kredite. Unter der Schocktherapie haben die armen Bevölkerungsschichten besonders zu leiden, denn Grundnahrungsmittel werden meistens teurer, Gesundheitsdienste kostenpflichtig.

Trotz umfangreicher Kritik an den Programmen von IWF und Weltbank mangelte es bisher an konkret ausgearbeiteten Alternativvorschlägen, wie die Wirtschaft der verschuldeten Länder wieder in Schwung gesetzt werden kann. Genau dies versucht jetzt die regierungsunabhängige „Bretton- Woods Reform Organisation“ (BWRO) zu leisten. Die 1991 von dem ehemaligen leitenden IWF- Mitarbeiter Budhoo gegründete BWRO will vor allem ein Beratungsorgan für lokale Organisationen und Basisgruppen sein. Alternative Strukturanpassungsprogramme werden derzeit auch für Trinidad und Tobago, für Antigua und neuerdings für Indien erabeitet. Neben der Betonung sozialer und ökologischer Fragen sind Transparenz und die Beteiligung der Bevölkerung wichtige Bestandteile der Alternativprogramme.

Der vorgestellte Entwurf ist in die Bereiche Umwelt, Privatisierung, Armutsbekämpfung, Arbeit und Finanzierung unterteilt. Er beginnt mit einer Auswertung der bisherigen Strukturanpassung in Guyana, das neben Haiti zu den ärmsten Staaten Lateinamerikas zählt. Die Verschuldung ist immens: Sie beträgt mit 2,1 Milliarden US-Dollar das sechseinhalbfache des Bruttosozialproduktes.

Seit 1990 laufen Strukturanpassungsprogramme unter der Fuchtel von IWF und Weltbank. Die Asap-Initiatoren kritisieren beispielsweise die seither betriebene Entstaatlichung der Wirtschaft. So moniert BWRO-Mitarbeiter Dennison Smith, daß die Telefongesellschaft unter Wert verkauft worden sei. Die neuen Besitzer verdienten heute am europäischen Telefonsex via Guyana, während das Telefonsystem im Land nicht besser werde. „Wir sind nicht gegen Privatisierungen“, sagt Smith. „Wir wollen nur, daß die Regeln eingehalten werden und die Öffentlichkeit informiert wird.“

Ähnliches gilt für den Umweltschutz. Das zu 80 Prozent bewaldete Guyana verfügt über große noch unzerstörte Regenwaldgebiete. „Das Volk von Guyana soll einen fairen Preis für seine Ressourcen erhalten. Die Menschen müssen an den Entscheidungen beteiligt sein, die ihre Umwelt betreffen. Das Ziel heißt nachhaltige Entwicklung“, so David King, der Asap im Umweltbereich betreut. Die Asap-Initiatoren fordern die Regierung etwa auf, die Konzessionen an einen asiatischen Holzkonzern nachzuverhandeln, der Guyanas Wälder fast ohne Ertrag für das Land ausbeuten darf.

Wie herkömmliche Strukturanpassungsprogramme soll Asap aus IWF- und Weltbankkrediten finanziert werden. Budhoo, der vor 15 Jahren selbst einmal IWF-Repräsentant in Guyana war, fordert außerdem die offizielle Einstufung des hochverschuldeten Landes in die Kategorie der ärmsten Enwicklungsländer. Denn dies hätte erheblich Erleichterungen beim Schuldendienst zur Folge.

Asap hat durchaus Chancen, realisiert zu werden. Der Präsident Guyanas, der 1992 gewählte Reformsozialist Cheddi Jagan, steht dem alternativen Programm aufgeschlossen gegenüber. Er soll die BWRO sogar zur Eile gedrängt haben, weil im Januar 1995 wieder Verhandlungen mit dem IWF anstehen. Sven Hansen