: Was tun als Regierungschefin?
■ Jugendsenatorin Stahmer stellte "empfehlenswerte Computer- und Videospiele" vor / Das beste: "SimCity 2000" / CD-ROM erschließt für Firmen ganz neue Märkte
Nun weiß Sozial- und Jugendsenatorin Ingrid Stahmer endlich, wie sie sich auf ihren möglichen neuen Job als Regierende Bürgermeisterin vorbereiten kann: per Computerspiel „SimCity 2000“. Das Spiel wurde ihr nicht nur durch die Söhne ihrer Nachbarn ans Herz gelegt, sondern auch in ihrer Verwaltung und in zwei Clubs für Computerkids als bestes und beliebtestes Computerspiel dieses Jahres gekürt.
Mann, Frau und Kind können dabei lernen, was sie als Regierungschef der neu aufzubauenden Stadt „SimCity 2000“ alles falsch machen können. Daß sie zum Beispiel nicht zuviel Industrie in Wohngebieten ansiedeln dürfen, weil sonst die Menschen die Flucht ergreifen.
Eine Lektion ist nicht im Spiel enthalten, aber die SPD-Politikerin hat sie schon gelernt: daß man mit Verboten oft das Gegenteil erreicht. Deshalb verschweigt die Jugendverwaltung, welche Computerspiele sie für die dümmsten und schlimmsten hält, und empfiehlt statt dessen in der Broschüre „Tips für Computer- und Videospiele“ die besten.
Um Eltern und anderen Interessierten im vorweihnachtlichen Kaufrausch eine Orientierungshilfe zu geben, werden darin knapp 100 Spiele vorgestellt und kommentiert. Nicht in das Heft aufgenommen wurden solche, die gewaltverherrlichend oder frauenverachtend sind, Destruktivität fördern oder nur allein spielbar sind.
Die Sieger des Wettbewerbs sind im Heft allerdings nicht enthalten. Den zweiten Preis erhielt „Colonization“ — wer bei der Neuentdeckung Amerikas Indianer niedermetzelt, wird mit Strafpunkten belegt. Den dritten Platz belegte „Incredible Machine“, bei dem TüftlerInnen zum Beispiel einen Staubsauger und einen Weihnachtsbaum zu einer neuen Maschine kombinieren können. Vierter wurde „Aufschwung Ost“, das „SimCity 2000“ ähnelt, aber reale Wirtschaftsdaten der Ex-DDR enthält.
Spielbar sind diese Neuentwicklungen allerdings nur auf einem Computer mit CD-ROM-Laufwerk. Die CD-ROM, vermutet Dr. Klaus Spieler [sic!] vom Verein „ComputerSpieleBeratung“, werde den Markt gründlich verändern. Erstens könne man von einer solchen CD mit der 500fachen Speicherkapazität einer normalen Diskette keine Raubkopien mehr ziehen.
Das zwinge die Jugendlichen, einen Tauschmarkt zu etablieren, und mache es im übrigen Rechtsradikalen unmöglich, Rassistensprüche per Raubkopien in Umlauf zu bringen. Zweitens legten die Kids diese Spiele mit ihren aufwendig hineinkopierten Videosequenzen vermutlich schnell beiseite, denn nach dem dritten Durchlauf sei die Story bekannt. Folge: Die keineswegs billigen Spiele müssen, wie von den Herstellern bezweckt, immer schneller nachgekauft werden. Ute Scheub
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