Sanssouci: Vorschlag
■ „Die Wut im Bauch“ – Fritz Cremer in der Ladengalerie
„... ich könnte genauso sagen, die sowjetische Kunst ist völlig formalistisch. Sie trifft nicht den sozialistischen Geist. – Diese ganzen Theorien sind nicht wahr ...“ Als sich Fritz Cremer 1964 mit diesen Worten aus der Jury zur Ausstellung „Unser Zeitgenosse“ anläßlich des 15jährigen Bestehens der Deutschen Akademie der Künste verabschiedete, war der damals 58 Jahre alte Bildhauer bereits drei Jahre zuvor als Sekretär der Sektion Bildende Kunst abberufen worden. Fritz Cremer war ein Querschläger, der sich von der sozialistischen Kulturpropaganda nicht vereinnahmen ließ. Wurde die künstlerische Freiheit geknebelt, kochte er und ließ den Dampf ab.
„Die Wut, das Wort“ steht unter der Federzeichnung eines in Angriffsstellung verharrenden Ebers von 1991, ein Bild, das neben zahlreichen anderen gezeichneten Alterswerken des im letzten Jahr verstorbenen Künstlers derzeit in der Ladengalerie ausgestellt ist. Das Bild vom wilden Eber zeigt des Zeichners Lebenshaltung. Seine Wut über den verordneten künstlerischen Dogmatismus hat Cremer am gegebenen Ort immer auch in Worte gefaßt. Sein grafisches Spätwerk unterscheidet sich deutlich von seinen Skulpturen und den ihnen zugrundeliegenden Vorstudien. Für seine Antikriegs- und KZ-Denkmäler in Buchenwald und Ravensbrück aus den fünfziger und sechziger Jahren wurde er in der DDR mit hohen Ehrungen ausgezeichnet, später geriet er ins Abseits. Er konnte und wollte sich nicht einer falsch verstandenen volkstümelnden Kunst verschreiben. Es waren weniger Cremers Figuren selbst, die auf Ablehnung stießen (gerade seine Frauengestalten, insbesondere eine Statuettengruppe von „Müttern“, verschweigen nicht den Einfluß der als Vorzeigekünstlerin der Betroffenheit herausgestellten Käthe Kollwitz), es waren vielmehr seine Verbalattacken gegen die KollegInnen in der Akademie.
1985, acht Jahre vor seinem Tod, skizzierte Cremer den Entwurfsplan eines Grabmals für sich und seine Frau. In Gedanken schon mit dem Tod beschäftigt, entstanden so hervorragende Zeichnungen, daß man meinen möchte, der Künstler habe erst jetzt sein eigentliches Medium entdeckt. „Für Christa“, seine Frau, zeichnete er 1993 einen Mann mit tiefen Augenhöhlen in einem totenkopfähnlichen Schädel. Der Körper wirkt sehr kräftig und groß im Verhältnis zum Kopf. Arme und Beine verschwinden hinter unruhigen, gekritzelten Zeichenschraffuren. Fast unleserlich steht darunter: „vielleicht ist (es) meine letzte Zeichnung“. Das ist sie. Petra Welzel
Bis Ende Januar, Mo-Fr 10-18.30 Uhr, Ladengalerie, Kudamm 64, Charlottenburg, Katalog 10 Mark.
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