: Jeden Tag braucht Berlin 19 Millionen Kredit
■ Haushalt: SPDCDU loben „schönes Sparen“, Opposition warnt vor Schulden
Die Große Koalition ist mit dem Entwurf des Doppelhaushalts 95/96 zufrieden. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) habe mit „verkäuferischem und rhetorischem Geschick das Sparen schön gemacht“, lobte CDU-Fraktionsführer Klaus-Rüdiger Landowsky. Der Etat von 43,3 Milliarden Mark (1994) fällt 1995 auf 43 Milliarden Mark und steigt 1996 auf 44 Milliarden Mark. Der Haushalt, der erstmals für zwei Jahre gilt, schaffe Planungssicherheit und neue Gestaltungsmöglichkeiten, meinte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Seit der Wiedervereinigung könne die Aufnahme neuer Kredite erstmals wieder reduziert werden.
Der SPD-Fraktionschef Klaus Böger stimmte in seiner Rede dem Entwurf ebenfalls zu, kritisierte aber die Senatoren für Verkehr, Wissenschaft und Inneres (alle CDU). Es sei ein „Trauerspiel“, wie im Hause Haase nahezu alle vernünftigen Ansätze einer modernen und umweltfreundlichen Verkehrspolitik wie das Parkraumbewirtschaftungskonzept verkompliziert und verzögert würden. Auch wenn die Umstukturierung der Universitäten ein schwieriger Prozeß sei, gehe es nicht an, daß Wissenschaftssenator Erhardt im Senat Einsparungen erst zustimme und hinterher von nichts mehr etwas wissen wolle. Und Innensenator Heckelmann könne nicht länger mit dem Hinweis auf die Sicherheit Stelleneinsparungen bei der Polizei verhindern. Aus den Reihen der Regierungsparteien hatte nur der Vorsitzende des Hauptausschusses, Klaus Franke (CDU), konkrete Kritik am Doppelhaushalt. Ein strukturelles Sparen sei nur in Ansätzen gelungen.
Die neuen Kredite in Höhe von 6,75 und 6,10 Milliarden Mark in den kommenden beiden Jahren waren Thema von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP. Wolfgang Wieland hielt Diepgen vor, bereits als „größter Schuldenmacher in der Geschichte Berlins“ eingegangen zu sein. Weil die neuen Kredite höher sind als die Investitionen, sei der Haushalt verfassungswidrig, sagte der Fraktionschef der Bündnisgrünen. Sein Kollege von der FDP, Axel Kammholz, warf der Koalition vor, daß ab 1995 täglich Kredite in Höhe von 19 Millionen Mark aufgenommen würden — davon könnten täglich drei Kindertagesstätten gebaut werden. Notwendige Nachbesserungen würden den Haushalt zur Makulatur werden lassen.
Unterschiedlicher Auffassung waren CDU und SPD bei der ausstehenden Bundesförderung von 130 Millionen Mark für Kultureinrichtungen. Während Diepgen in Bonn erste Anzeichen für einen „Umdenkungsprozeß“ ausmachte, hat Böger im Bonner Haushaltskapitel „Kulturfinanzierung der Hauptstadt“ nur eine Null ausgemacht. Dirk Wildt
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen