: Ein scharmanter Schreiber
■ Wer ist eigentlich Moppel „Eckhard“ Henscheid?/ Einige unwegsame Gedanken vor der Lesung am Sonntagabend im Bremer Café „Ambiente“
Den einen gilt er als Haudrauf-in-allen-Gassen, den andern als zarter, ja: fürsorglicher Romancier. An Eckhard Henscheid scheiden sich die Geister. Mehr noch: Henscheid selbst wird schon geschieden in zwei Teile, und mit ihm sein ganzes Werk und, weil's so schön praktisch ist, auch gleich seine Person, wenn nicht Persönlichkeit. Hier der scharfe Spötter, der seine Satiren ausgießt über Großkaliber bzw. Dünnbrettbohrer vom Schlage eines F.J.Strauß, Björn Engholm, Justus Frantz; dort aber der warmherzige Epiker, der den Alltag der Menschen beobachtet und liebevoll beschreibt, den ganzen leeren Wahn, das ganze herrliche Treiben und Treibenlassen. Ja, wie denn nun? Wer eigentlich steckt hinter diesem Doppelgesicht?
Sicher ist nur, daß „Henscheid“ vor ca. 53 Jahren in Amberg/Oberpfalz geboren wurde, Musiklehrer werden wollte, dann aber in den Tagesjournaillismus umschwenkte, brav volontierte (Regensburg), dann in Frankfurt (Main) ein recht undurchschaubares Dasein als freier Journaillist, Schriftsteller (“Die Vollidioten“) und Satirenverleger (“Titanic“) begann, das quasi bis heute andauert. So weit, so okay.
Aber schon mit seiner ersten Romantrilogie beginnen die Zweifel an der Identität des Autors. Wird nicht Dostojewski hinauf und hinunter zitiert? Ist nicht auch andauernd die Rede von Kafka? Die stärkste Verwandtschaft aber besteht wohl zweifelsfrei zu einem gewissen „Goethe“. „Henscheid“ in einem Interview: „Goethe war ja auch nebenher Klavierspieler, wie ich übrigens auch, und Satiriker – der ,Faust' z.B. hat ja auch satirische Züge (...)“.
Noch größere Verwirrung ergibt sich bei einem genaueren Blick aufs Personal der „Henscheid“-Romane. Ist nicht die Zentralgestalt der ersten beiden Bücher, der Chronist nämlich, dem Oberpfälzer selbst zum Verwechseln ähnlich? Treibt er sich nicht auch normal in Frankfurt und im weiteren Hessenland herum? Und hört er nicht auf den Namen „Henscheid“? – Genau. „Moppel“ (so der Spitzname der Romanfigur) und „Henscheid“, der Autor, d.h. Chronist, bzw. andersherum, sind personenidentisch. Auch charakteridentisch?
„Moppel“ nämlich (bzw. eben „Henscheid“) ist ein arger Schwärmer. Einer, der die Leute zwar scharf betrachtet und beschreibt; letztlich aber liest er doch nur das Gute aus den Menschen heraus. Blickt mit Sorge auf die Nöte seiner Mitmenschen, auf die Verstrickungen, die der ganz normale Alltagsirrsinn für sie bereithält. Hadert selbst, verfängt sich, fängt sich wieder und macht so weiter.
Bosheit und Gemeinsinn kommen da in einer Gestalt zusammen, Polemik und Romantik – Satire und Epik. Und das ist, beides zusammengenommen, in der Tat das ganze Wesen „Henscheids“, wie wir ihn lieben bzw. gerne hätten, untrennbar, unerforschlich. tom
Lesung am 11.12., 20 Uhr, im „Ambiente“ (Osterdeich 69a)
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen