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Auch Trauern will gelernt sein

■ Trauergruppen verschiedener Verbände helfen den Hinterbliebenen / Ziel ist es, Schmerz- und Verlustgefühle als gesellschaftliches Tabu zu durchbrechen

Der Schmerz ist groß. Ein Freund, Lebenspartner oder naher Verwandter stirbt, und die ihm nahestehenden Personen müssen mit dem Verlust fertig werden. „Trauer ist individuell verschieden, so wie jeder Mensch verschieden lebt“, sagt Maren Schmidt, die in der DDR als professionelle Trauerrednerin arbeitete und heute als Trauerbegleiterin tätig ist.

In hochindustrialisierten Ländern ist die Fähigkeit zu trauern verlorengegangen. Im hektischen Alltag bleibt keine Zeit mehr für Gefühle. Wenn alte Menschen pflegebedürftig sind, bleibt oft als einzige Unterbringungsmöglichkeit das Krankenhaus. Drei von vier Menschen verbringen dort ihre letzte Lebenszeit. Tritt der Tod ein, wird sofort eine gut funktionierende Maschinerie in Gang gesetzt. Der oder die Tote wird „entsorgt“, umgelegt in das Totenzimmer, und alle Vorbereitungen für die Bestattung getroffen. „Schnell unter die Erde“ ist das Motto, und es bleibt keine Ruhe im stressigen Alltag, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Der Arbeitgeber gibt einen Tag für die Beerdigung frei. Danach geht das Leben für die Hinterbliebenen weiter.

Maren Schmidt sieht in der Verdrängung des Schmerzes eine Gefahr: „Trauer, die nicht erlebt wird, kann sogar zu pathologischen Erscheinungen führen.“ Der Mensch wird krank, manche greifen zu Alkohol oder Tabletten. Kirchliche und weltliche Trauergruppen versuchen hier zu helfen. In Selbsthilfegruppen können die Hinterbliebenen unter Anleitung von Trauerbegleitern lernen, mit ihrem Schmerz umzugehen.

Lucie Maaß, Trauerbegleiterin beim Humanistischen Verband, sieht ihre Aufgabe darin, das „gesellschaftliche Tabu zu brechen“. Nicht einmal vor anderen Trauernden möchte man seinen Schmerz zugeben: „Einzelberatung wird immer gerne angenommen, aber die meisten haben Schwierigkeiten, sich vor einer Gruppe zu öffnen.“ In der Gruppe aber lernen sie, daß sie nicht allein sind mit ihrem Schmerz. Die unterdrückten Gefühle sollen gemeinsam ausgelebt werden.

Gita Neumann, Projektleiterin der Patienten- und Trauerhilfe des Humanistischen Verbandes, hat dabei die unterschiedlichsten Gefühle festgestellt. Zur Trauer gehört der Schmerz über den Verlust der geliebten Person, aber auch die Wut darüber, daß er seine Freunde oder Verwandten allein gelassen hat. Plötzlich suchen die Trauernden Schuld bei sich selbst. Fragen kommen auf, die nicht mehr beantwortet werden können. Wenn die Eltern gestorben sind, wird dem Trauernden bewußt, daß er zur nächsten Generation gehört, die sterben wird.

Die Betreuung der Gruppe durch eine Fachkraft ist ein wichtiger Faktor im Trauerprozeß. Gita Neumann bedauert, daß dies vom Senat für Soziales nicht erkannt wird. Drei Jahre lang wurde das Projekt Trauerhilfe gefördert. Für das kommende Jahr gibt es nicht einmal mehr Geld für die Personalkosten. Lucie Maaß hält Trauergruppen ohne Leitung für „unverantwortlich“. Die Reaktionen der Hilfesuchenden sind oft unberechenbar, manche brechen in nicht enden wollendes Weinen aus, andere bekommen hysterische Lachanfälle. Die Betreuer müssen fähig sein, dies aufzufangen, zuzuhören, auch „mitzuschwingen“ in den Gefühlen, wie Maaß es ausdrückt. Am Schluß sollte der Tod akzeptiert und der Verstorbene integriert werden in ein neues Leben. Elke Eckert

Beim Senat für Gesundheit und Soziales gibt es die Broschüre „Betreuungs- und Hilfsangebote für schwerstkranke, sterbende Menschen und ihre Angehörigen“. Sie enthält u.a. Adressen von Trauergruppen und Beratungsstellen.

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