Die ersten offiziellen Gespräche in 22 Jahren

■ Im Schloß Stormont in Belfast trafen sich Sinn Féin und britische Regierung

Dublin (taz) – Die Polizei führte den einzigen Demonstranten ab: Lautstark hatte der Mann von der rechten Democratic Unionist Party gestern vormittag in Belfast gegen die Gespräche zwischen britischen Regierungsbeamten und Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, protestiert. Ansonsten wimmelte es von Kamerateams aus der ganzen Welt, die den großen Augenblick einfangen wollten: den ersten offiziellen Kontakt zwischen Regierung und Sinn Féin seit 20 Jahren. Das Ergebnis war absehbar: Von einer „historischen Begegnung“ sprach Sinn-Féin- Vize Martin McGuinness, Premierminister John Major warnte beim EU-Gipfel vor zu hohen Erwartungen – und am 19. Dezember will man weiterreden.

Der Ort, der für die Gespräche gewählt worden war, hat hohe Symbolkraft. Schloß Stormont in Belfast war 50 Jahre lang der Sitz der protestantisch beherrschten nordirischen Regierung. KatholikInnen waren vom politischen und ökonomischen Leben weitgehend ausgeschlossen. Erst im Zuge der Bürgerrechtsbewegung löste die Londoner Regierung 1974 das Stormont-Parlament auf und führte die Direktherrschaft ein.

Gestern nun zog Sinn-Féin-Vizepräsident Martin McGuinness mit seiner Delegation in den Stormont im protestantischen Ostteil der Stadt ein. Die Delegation hatte es in sich: Ihr gehörten außerdem die Generalsekretärin Lucilita Bhreathnach, Stadtrat Sean McManus sowie Siobhan O'Hanlon und Gerry Kelly an. Die 34jährige O'Hanlon saß sieben Jahre im Gefängnis, nachdem sie 1983 in einer IRA-Bombenwerkstatt festgenommen worden war. Kelly hat ebenfalls einen Großteil der vergangenen 20 Jahre hinter Gittern verbracht. Er war 1973 an der ersten IRA-Bombenkampagne in der Londoner Innenstadt beteiligt, bei der ein Mensch getötet und 250 verletzt wurden. Zehn Jahre später zählte er zu den 38 IRA-Gefangenen, die aus dem Lager Long Kesh bei Belfast ausbrechen konnten. 1988 wurde er in den Niederlanden verhaftet und nach Nordirland ausgeliefert.

Die britische Delegation besteht aus Quentin Thomas, dem zweithöchsten Beamten im Nordirland-Ministerium, sowie vier weiteren Regierungsbeamten. „Wir haben den Anfang gemacht“, sagte McGuinness anschließend. Er hofft, daß die Kontakte bald zu „Friedensverhandlungen zwischen allen Beteiligten unter Leitung der Regierungen in London und Dublin führen“ werden. Das kann noch dauern: Die britische Regierung besteht zuvor auf Herausgabe der IRA-Waffen, während Sinn Féin dieses Thema als Teil einer umfassenden Lösung begreift. Ralf Sotscheck