■ Schöner leben: ß-Kultur
Radikal wäre, finden „Experten“, wenn ab 1995 im Deutschen alle Substantive klein geschrieben würden. Sanft dagegen sei, was Sprachwissenschaftler und Kultusbeamte aus Österreich, der Schweiz und von hier jüngst an Schriftsprachreform beschlossen haben: die Liquidation des ß.
Sanft!!! Die Mörder kommen gutgetarnt daher, wollen in einer ersten Feuerserie „nur“ die ß nach kurzem Vokal niedermähen. Ohne Aufsehen fallen Fluß und Faß und erst recht das daß – wer wollte sich auch ernsthaft ausgerechnet vors Buckel-S-daß werfen, dessen Beherrschung oder Nichtbeherrschung die Deutschsprachigen in Ober- und Unterschicht teilt!? Demokratiemäßig p.c. (pißi) ((pissi?)) sind nämlich nur Fluss, Fass und das dass. Klar?
Nun gibt es Leute (nicht zu knapp, werden immer mehr), die können partout das schöne Wort „scheinbar“ nicht vom ebenso schönen Wort „augenscheinlich“ unterscheiden. Und? Wird „scheinbar“ abgeschafft? Quatsch – man schweigt und genießt (und sinniert über den Niedergang der Feuilletons, in denen man solche Ausrutscher findet). Und genauso lacht man still über die daß-Dummerchen, gesteht jedem freien Bürger das Recht auf freie ss-Wahl zu und genießt. Ja, die ß-Kultur ist eine Genußkultur, das ß ist pikant und ein wenig elitär. Zwar würde nie jemand sagen, am deutschen ß soll die Welt genesen – aber uns fürs ß beneiden, das soll sie schon, die Welt.
In diesen Schriftsprachreformkommissionen sitzten – jede Wette – Altachtundsechziger rum, im Dienste des Volkes. Von Genuß haben sie keine Ahnung, aber unverstandene Kinder, die sich H A S S auf die Knöchel schreiben. Und das ist ab 1995 also korrekt geschrieben. Toll! Burkhard Straßßmann
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen