: Clintons Vision ohne Zeitplan
Die Gipfelkonferenz der amerikanischen Staaten beschließt, im nächsten Jahr Verhandlungen über eine Freihandelszone aufzunehmen / Kuba muß vorerst noch draußen bleiben ■ Aus Miami Andrea Böhm
Das Schlimmste wurde noch im Vorfeld verhindert: Statt Afta soll die zukünftige Freihandelsregion von Alaska bis Feuerland nun FTAA heißen. Nicht mehr „American Free Trade Area“ also, sondern „Free Trade Area of the Americas“. Irgend jemand, der ganz offenbar der spanischen Sprache mächtig und mit der Viehwirtschaft vertraut ist, hatte angemerkt, daß Afta in Lateinamerika die Abkürzung für eine Rinderkrankheit meint. Also wurde das Projekt flugs umgetauft, was auch die Delegation der USA beim Gipfeltreffen von 34 amerikanischen Staats- und Regierungschefs in Miami beruhigte. Denn in US-amerikanischen Ohren klingt Afta wie Nafta, was für die Freihandelszone zwischen den USA, Kanada und Mexiko steht, und bei US-amerikanischen Wählern Unbehagen hervorruft.
Bis zum Jahre 2005, so einigte man sich nun, sollen die Verhandlungen über die Freihandelsregion abgeschlossen sein. Die ersten Gesprächsrunden sollen 1995 beginnen. Ein Datum für die Umsetzung wurde nicht gesetzt. Dieser Kompromiß kam auf Drängen lateinamerikanischer Länder, allen voran Argentinien, zustande. Die USA hatten sich nicht auf einen konkreten Zeitplan festlegen wollen. Brasilien, das entscheidende bilaterale Vorverhandlungen mit der Clinton-Administration geführt hatte, stand einem konkreten Zeitplan ebenfalls skeptisch gegenüber. In Brasilia fürchtet man, daß zu große Eile mit der FTAA den jüngsten lateinamerikanischen Freihandelspakt, Mercosur, untermininieren könnte. In Washington hingegen hält man die Mehrheit der süd- und mittelamerikanischen Länder noch nicht für „reif genug“, um in eine expandierende Freihandelszone nach dem Vorbild von Nafta einzutreten. Vorerst wurde nur Chile die Mitgliedschaft in diesem Klub angeboten. Die chilenische Regierung rechnet nach den Worten ihres Finanzministers Eduardo Aninat damit, im April 1996 Nafta beizutreten.
Doch in den Augen so mancher lateinamerikanischer und karibischer Regierungen, die in den letzten Jahren ihre Märkte für US-Importe weit geöffnet haben, sind die Vorbehalte Washingtons ein Vorwand für protektionistische Interessen und innenpolitische Probleme. Zum Beispiel strich die Clinton-Administration während der Debatte um die Gatt-Ratifizierung ein Interimprogramm, wonach die Karibikstaaten Textil- und andere Produkte nach den Bestimmungen des Nafta-Abkommens in die USA hätten exportieren können. Weitaus bedenklicher ist für die Nationen einer zukünftigen „Freihandelsregion der Amerikas“ jedoch der Umstand, daß Bill Clinton nach der Ratifizierung des Gatt-Vertrages im US-Kongreß keine „fast track authority“ mehr hat: In Zukunft muß der US- amerikanische Kongreß bei solchen Abkommen nicht mehr das gesamte Paket abstimmen, sondern kann Zusatz- und Änderungsanträge einbringen. Mit dieser Praxis können Freihandelsgegner weitere Projekte enorm verzögern oder gar zu Fall bringen.
Probleme wird es vor allem in Bill Clintons eigener Partei geben. Der demokratische Abgeordnete und zukünftige Minderheitenführer der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Richard Gephardt, hatte noch vor dem Gipfeltreffen in einem Brief gewarnt, äußerst vorsichtig vorzugehen. In diesem Zusammenhang dürfte der Umstand auf harsche Kritik in den USA stoßen, daß das Gipfeltreffen in Miami keine nennenswerten Fortschritte bei der Integration von ökologischen und arbeitsrechtlichen Standards in ein zukünftiges Freihandelsabkommen gebracht hat. Gegen eine solche Verknüpfung haben sich lateinamerikanische Regierungen ausdrücklich gewehrt.
Immerhin kann die Clinton-Administration einige kleinere Erfolge im Bereich des Umweltschutzes vorweisen. In einem Abkommen mit den zentralemrikanischen Regierungen einigt man sich am Rande des Gipfels auf eine „Umweltpartnerschaft“, die sowohl Artenschutz, Energiekonsum wie auch eine Angleichung von Umweltschutzgesetzen zum Thema haben soll.
Weitere Themen, die ganz im Clintonschen Seminarstil in verschiedenen Arbeitsgruppen diskutiert wurden, betrafen die Bekämpfung von internationalem Drogenhandel und Korruption, sowie die zukünftige Abstimmung bei internationalen Krisen in der Hemisphäre. Zwangsläufig tauchte immer wieder der Name Kuba auf, dessen Staatschef Fidel Castro ausdrücklich nicht zum Gipfeltreffen eingeladen worden war. 70.000 Exilkubaner hatten am Samstag in Miami gegen Castro und jede Form des Dialogs mit dem Regime in Havanna demonstriert. Das hielt jedoch hielt die Staats- und Regierungschefs Zentralamerikas – mit Ausnahme Nicaraguas – nicht davon ab, sich in Miami mit einem Exponenten des moderaten Flügels der exilkubanischen Gemeinde, Carlos Alberto Montaner, zu treffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen