"Tod auf Verlangen"

■ NDR sendet niederländische TV-Dokumentation einer aktiven Sterbehilfe / Behinderte protestieren: "Gefährlich"

Cees van Wendel hat Geburtstag. 62 ist er geworden, aber nach Feiern ist ihm nicht zumute. „Sollen wir nicht noch ein bißchen warten?“ fragt ihn der Hausarzt. „Ich kann auch morgen wiederkommen. Oder übermorgen.“ Doch davon will Cees nichts wissen. Seit Jahren leidet er an unheilbarem Muskelschwund. Inzwischen ist er fast gelähmt. Aussicht auf Besserung besteht keine. Cees hat sich entschieden, seinem Leiden heute, an seinem Geburtstag, ein Ende zu bereiten. Er drückt auf den Knopf seines Rollstuhls und fährt in sein Schlafzimmer. Der Arzt folgt ihm, verabreicht ihm ein Schlafmittel und eine tödliche Injektion. Seine Frau nimmt ihn in den Arm. Minuten später ist er tot.

Diese Bilder aus der niederländischen TV-Dokumentation „Tod auf Verlangen“ werden am Mittwoch abend im Dritten Programm des NDR zu sehen sein. Der Protest von Kirchen und Behindertengruppen ist vorprogrammiert. Bis jetzt hat sich die geplante Ausstrahlung allerdings noch kaum herumgesprochen.

Minutenlange Sterbeszene löste Protest aus

Über mehrere Monate folgte der Regisseur Maarten Nederhorst dem Leidensweg des Kranken Cees van Wendel – bis über dessen Tod hinaus. „Tod auf Verlangen“ ist die erste Dokumentation aktiver Sterbehilfe. Gesendet wurde sie am 20. Oktober ausgerechnet auf Ikon, einem calvinistischen Fernsehsender, und löste auch innerhalb der Niederlande insbesondere wegen der minutenlangen Sterbeszene Betroffenheit, aber auch heftigen Protest aus.

Der Vatikan schaltete sich ein und protestierte, die Ausstrahlung sei „eine Provokation für diejenigen, die den Tod als letztes ansehen, worüber der Mensch nicht selbst beschließt“.

Aktive Sterbehilfe – dort Euthanasie genannt – ist zwar auch in den Niederlanden formell verboten. Den Ärzten wird allerdings Straffreiheit garantiert, wenn sie 28 Punkte eines Auflagenkatalogs beachten. Dazu gehört, daß der Kranke seinen Todeswunsch mehrmals deutlich und bei vollem Verstand geäußert haben muß. Außerdem muß der Patient an einer tödlichen Krankheit ohne Aussicht auf Besserung leiden und ein zweiter Arzt muß herangezogen worden sein. Nachdem Euthanasie jahrzehntelang relativ unumstritten war, geriet sie in den vergangenen Monaten immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik, vor allem, nachdem diverse Fälle bekannt wurden, in denen schwerstbehinderten Säuglingen oder psychisch kranken Menschen tödliche Mittel verabreicht worden waren. In den seltensten Fällen ist gegen die Ärzte ermittelt worden.

Mit seiner Dokumentation, die 700.000 von 15 Millionen Niederländern am 20. Oktober gesehen haben, wollte Nederhorst „ein Stück Realität“ dokumentieren.

Ein Thema für die nächsten Jahrzehnte?

Mit einer ähnlichen Begründung hat die verantwortliche Redakteurin beim NDR, Maria Maier-Reimer, den Film eingekauft. „Sterbehilfe ist ein Thema, das unsere Gesellschaft die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird“, sagte sie der taz. Behindertenverbände und Kirchen sehen das allerdings anders. Mitglieder der Behindertengruppe „Autonom Leben“ in Hamburg legten vor zehn Tagen bereits vorübergehend das NDR- Livemagazin „DAS“ lahm. Vor laufenden Kameras protestierten sie lautstark gegen die geplante Ausstrahlung. Der Film sei „gefährlich und eine Bedrohung alter, kranker oder behinderter Menschen“, heißt es in einem Flugblatt. „Wir sehen darin eine weitere Aufweichung des Tötungs-Tabus“. Maier-Reimer erwidert den Behindertenverbänden, daß es „nicht um einen Behinderten geht, sondern um einen todkranken Menschen, der den Zeitpunkt seines Todes selbstbestimmt wählt“. An dieser Selbstbestimmung wiederum zweifeln die Gegner. Die Möglichkeit aktiver Sterbehilfe färbt doch auf die Öffentlichkeit ab“, erklärte Jörg Fretter von der „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben“. „Der Druck der Umwelt übt Druck auf meine Entscheidung aus.“

Die Konferenz evangelikaler Publizisten hat bereits beim NDR- Intendanten protestiert. „Das Intimste, was ein Mensch habe“, im TV zu zeigen, sei „infam“, erklärte Geschäftsführer Wolfgang Baake, der die Dokumentation mit den skandalösen „Werbefilmen“ der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben unter Hans Henning Atrott vergleicht. Auch eine Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz kommentierte die Sendung als „verantwortungslos“.

Neben dem NDR haben auch SWF und WDR Interesse an der Dokumentation angemeldet. „Tod auf Verlangen“ läuft in N 3 am Mittwoch um 23.25 Uhr. Jeannette Goddar