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Deutsche Soldaten nach Bosnien

■ Die Nato bittet um Unterstützung für den UN-Abzug / Serben blockieren alle Konvois

Bonn/Sarajevo (dpa/AP/taz) – Am Wochenende munkelte es der Kanzler, jetzt ist es offiziell: Die Nato hat bei der Bundesregierung angefragt, ob und womit sich die Bundeswehr an einem möglichen Abzug der UN-Truppen aus Bosnien-Herzegowina beteiligen könne. Ein entsprechendes Schreiben des Nato-Oberbefehlshabers George Joulwan ist am Wochenende in Bonn eingegangen. Die Regierung wird sich bereits heute damit beschäftigen, doch ist laut Regierungssprecher Vogel derzeit „noch nicht absehbar“, wann eine Entscheidung getroffen werde.

Während sich Bonn vergangene Woche einer Anfrage von Joulwan nach deutschen Tornado-Flugzeugen mit der Begründung entzogen hatte, es handele sich lediglich um eine informelle Sondierung, wird das neuerliche Schreiben des Nato- Oberbefehlshabers in Hardthöhen-Kreisen als „erwiesenermaßen“ offizielle Anfrage eingestuft. Sie beziehe sich „aber nicht auf etwas Spezielles“, sondern sei im Rahmen der Nato-Planungen für einen möglichen Abzug der UN-Soldaten aus Bosnien gestellt worden.

Bundeskanzler Helmut Kohl hatte sich am Wochenende „unter ganz bestimmten Umständen“ für den Einsatz der Tornados im ehemaligen Jugoslawien ausgesprochen. Er könne nötig werden, „um etwa Soldaten unserer Freunde, die sich herausziehen, mit abzuschirmen“.

Nach Schätzungen von Militärs sind zu einem Schutz der abziehenden Blauhelme bis zu 50.000 Kampf- und Versorgungssoldaten notwendig. Im einzelnen gehe es um Kampfbrigaden, Pioniere, Sanitätstruppen, logistische Unterstützung, Schiffe, Transportflugzeuge und zusätzliche Kampfflugzeuge. Bereits am Wochenende hatte Generalinspekteur Klaus Naumann zu erkennen gegeben, die Bundeswehr wäre bereit, Logistik- und Sanitätseinheiten, beispielsweise in den Häfen zum Abtransport von UN-Soldaten oder auf Flughäfen außerhalb Bosniens, zur Verfügung zu stellen.

Unterdessen wird die Bewegungsfreiheit der UN-Truppen durch die bosnischen Serben immer weiter beschnitten. Gestern wurden alle Versorgungskonvois in die bosnischen Notstandsgebiete eingestellt, nachdem die Serben am Vortag ein Fahrverbot für gepanzerte Mannschaftstransporter der UN-Blauhelme verkündet hatten. Das bedeutet, daß die Hilfskonvois des Flüchtlingshilfswerks UNHCR nach dem Willen der Serben nicht mehr durch gepanzerte Eskorten vor Überfällen geschützt werden können. Am Nachmittag traf eine vermutlich von Serben abgefeuerte Rakete in Velika Kladusa, im Nordwesten des Landes einen gepanzertes UN- Fahrzeut. Fünf UN-Soldaten aus Bangladesch wurden dabei verletzt.

„Die Serben haben die UN jetzt dort, wo sie sie haben wollten“, klagte gestern UNHCR-Sprecher Peter Kessler. Die Hilfsorganisation setzte zunächst alle Konvoifahrten aus. „Wir prüfen jetzt alle Möglichkeiten“, fügte Kessler hinzu. Denkbar sei, daß das UNHCR jetzt mit eigenen gepanzerten Lastwagen und Geländewagen die Serbengebiete durchquert.

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