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Ampel zieht Haushalt glatt

■ CDU verzichtet auf Einzelanträge / CDU versucht, die Koalition zu spalten

Ohne Überraschungen hat die Bürgerschaft gestern den ersten Tag ihrer Haushaltsberatungen für 1995 über die Runden gebracht. In einem Abstimmungsmarathon wird der Etat heute mit den Stimmen der Ampelkoalition beschlossen werden. Die CDU kündigte ihre Ablehnung des gesamten Haushalts an. Einzelanträge zu bestimmten Teiletats will die Opposition im Unterschied zu vorangegangenen Jahren diesmal nicht stellen. Eine Ausnahme im fraktionierten Abstimmungsverhalten kündigte gestern lediglich der grüne Fundi Walter Ruffler an. Er will sich – wie bereits in den Jahren zuvor – enthalten.

Um Verständnis für „unpopuläre Sparmaßnahmen“ im Haushalt '95 hatte Finanzsenator Manfred Fluß zu Beginn der Debatte geworben. Zahlreiche Wünsche bei Kulturausgaben, Krankenhausinvestitionen, Sozialleistungen oder für die Wirtschaftsförderung seien nicht zu erfüllen gewesen.

Fluß' Etatentwurf sieht Einnahmen von 5,919 Milliarden Mark vor. Diese sollen sich um 1,8 Milliarden Mark aus dem Sanierungsprogramm erhöhen. Den bereinigten Gesamteinnahmen von 7,7 Milliarden Mark stehen Ausgaben von 7,4 Milliarden Mark gegenüber. Die verbleibenden 300 Millionen Mark will das mit rund 17 Milliarden Mark verschuldete Land zur Nettotilgung einsetzen. Mit einer Steigerungsquote von 2,88 Prozent bleiben die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr knapp unter der im Sanierungsprogramm festgeschriebenen maximalen Steigerungsrate von drei Prozent.

Mit einer polemischen Rede wandte sich CDU-Spitzenkandidat Ulrich Nölle vor allem an die FDP in der Ampelkoalition. Genüßlich hielt der den beiden liberalen Senatoren eine Notiz vor, die diese bei der Abstimmung der mittelfristigen Finanzplanung am 6. Dezember im Senat zu Protokoll gegeben hatten. „Die Grundinvestitionsquote liegt unter 10 Prozent“, heißt es zum Beispiel darin, „so daß damit der investive Teil des Sanierungsprogramms schon mit dem ersten Jahr ausgehöhlt wird.“

„Nicht nur die Opposition, sondern auch Teile des Senats sind der Auffassung, daß der Senat nicht in der Lage ist, die Auflagen des Sanierungsprogramms zu erfüllen“, folgerte Nölle aus diesem Zitat. Eine Erwiderung erhielt er auf seine These dann nicht von den Rednern der FDP, sondern vom grünen Fraktionssprecher Dieter Mützelburg. Der verwies darauf, daß es in den als kommunalen Eigenbetrieben verselbständigten Behördenteilen weitere Investitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen Mark geben werde. Mützelburg: „Wenn Sie das alles mitrechnen, liegen wir bei den Investitionen deutlich über der 10-Prozent-Quote.“

Redner aller Parteien sprachen sich in der Debatte für weitere Verkäufe von Unternehmen im Bremer Staatsbesitz aus. Auch für die 50.000 Wohnungen der Gewoba zeichnet sich eine Teilprivatisierung ab. „Ich lasse über einen Verkauf von 49,9 Prozent mit mir reden“, sagte Bürgermeister Klaus Wedemeier. Ein Mehrheitsverkauf komme allerdings nicht in Frage.

In den letzten Tagen vor der Haushaltsdebatte hatte die Ampelkoalition die letzten Streitpunkte für den Haushalt 95 friedlich beilegen können. Gemeinsam vertreten SPD, Grüne und FDP jetzt den Neubau der Straßenbahnlinie 4 bis Borgfeld. Er soll aus Mitteln des Investitions-Sonderprogramms (ISP) mitfinanziert werden und noch vor der Bürgerschaftswahl im September nächsten Jahres mitten auf der Schwachhauser Heerstraße in Angriff genommen werden. Insbesondere dieser Termin war aus Angst vor den Folgen der in der Bauzeit unvermeidlichen Staus an der Wahlurne bis zuletzt umstritten.

Keinen Erfolg hatte allerdings der Versuch der Ampel-Sozialpolitikerinnen, die bereits im Koalitionsvertrag von 1991 festgelegte Verbesserung für Bremens Obdachlose durchzusetzen. Auf 1.000 zusätzliche Wohnungen für Wohnungsnotstandsfälle hatte sich die Ampel damals verständigt, doch bereits im laufenden Jahr war der entsprechende Haushaltsposten im Bauressort den Kürzungsrunden zum Opfer gefallen. Und auch im Haushalt '95 findet sich keine einzige Mark für den Kauf von Belegrechten durch das Sozialressort.

Ase

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