: Kanther bleibt in der Kurdenpolitik betonköpfig
■ Selbst Bayern will vorläufig keine Kurden mehr in die Türkei abschieben
Berlin (taz) – Bislang galt die bayerische Staatsregierung der Türkei als fester Bündnispartner. Wenn Innenminister Günther Beckstein (CSU) sich in Ankara mit dem türkischen Innenminister Nahit Mentese traf, dann betonten stets beide ihre „feste Haltung“ gegen die Kurdische Arbeiterpartei PKK, die regierungsnahe Zeitung Hürriyet berichtete freudig darüber, und fast mehr noch als Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) galt Bayern als Verfechter sofortiger Abschiebung.
Nach den Urteilen des Staatssicherheitsgerichts Ankara gegen acht kurdische Parlamentarier vom vergangenen Donnerstag ist nun auch diese Freundschaft vorläufig vorüber. „Unmöglich“ sei das Urteil, gab Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) am Montag vor Journalisten zu Protokoll, das Urteil entspreche nicht einmal „rechtsstaatlichen Minimalgrundsätzen“. Auch Bayern, so Stoiber, werde bis zum 20. Januar keine Kurden mehr in die Türkei abschieben.
Dieses Datum hatte die Bundesregierung am Montag bekanntgegeben. Bis dahin werde man den bereits in Niedersachsen und Thüringen verfügten vorläufigen Abschiebestopp für Kurden tolerieren. Regierungssprecher Dieter Vogel hatte am Montag noch einmal bestätigt, daß die deutsch-türkischen Gespräche über rechtsstaatliche Garantien für abgeschobene kurdische Aktivisten noch nicht abgeschlossen seien, daher würden auch weiterhin Kurden, denen Kontakte zur PKK nachgesagt würden, nicht abgeschoben.
Innenminister Kanther sagte gestern allerdings, nach seinem Verständnis gelte auch der neue Aufschub nur für Kurden mit PKK-Kontakten. Da aber die Mehrheit der Betroffenen mit der PKK nichts zu tun habe, hätten die Urteile von Ankara dazu keinen Bezug, ergo könne weiter abgeschoben werden.
Dem konnte der türkische Botschafter in Bonn, Onur Öymen, nur beipflichten. Auch er sieht überhaupt keinen Grund, warum die Debatte um die Abschiebung von Kurden aus Deutschland mit den Urteilen von Ankara in Verbindung gebracht werden sollte. Die Türkei dürfe nicht daran gehindert werden, im Rahmen eines parlamentarischen Verfahrens die Immunität von Abgeordneten aufzuheben und ihnen den Prozeß zu machen, „falls diese Abgeordneten nachweislich die Einheit des Landes bedrohen“, sagte Öymen gestern der Nachrichtenagentur dpa. Im übrigen, so Öymen, seien die Abschiebungen eine innerdeutsche Angelegenheit, die „die Türkei eigentlich nichts angeht“.
Wohl doch. Bayerns Ministerpräsident Stoiber erwartet von der Bundesregierung ein klares Wort, ob nach den Urteilen der vergangenen Woche die Türkei als Unrechtsstaat anzusehen sei. Die Bundesregierung müsse klar ihr Verhältnis zur Türkei definieren, forderte Stoiber, damit Bayern die Umsetzung des Ausländerrechts daran orientieren könne. Ein Kurswechsel allerdings, warnte Stoiber, würde „sehr viele außenpolitische Komplikationen mit sich bringen“. Bernd Pickert
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