piwik no script img

Bundesverdienstkreuz für Schneider?

Der flüchtige Baulöwe animiert Hessens Landesregierung, neue Unternehmensgesetze vorzuschlagen, um Betrug zu erschweren / Die Kripo als Fluchthelfer  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Seit mehr als acht Monaten sind der Baulöwe Jürgen Schneider und seine Ehefau Claudia Schneider- Granzow aus Königstein im Taunus abgängig. Wie Oberstaatsanwältin Hildegard Becker-Toussaint jetzt eingestehen mußte, ist von dem untergetauchten Ehepaar noch nicht einmal eine „heiße Spur“ gefunden worden – trotz der weltweiten Fahndung von Spezialisten des BKA in Zusammenarbeit mit Interpol.

Schneider, so folgert die Staatsanwältin, habe seine Flucht wohl gründlich vorbereitet. Kein Wunder bei solchen Freunden: Bei der Flucht geholfen haben sollen ihm Ex-Kriminalbeamte, die – noch im Staatsdienst – auf Zeugenschutz spezialisiert waren. Die von Schneider schon Monate vor seiner Flucht eingestellten ehemaligen Polizisten hätten zunächst sein Schloß in Königstein „entwanzt“ und ihm und seiner Frau dann die spurenlose Flucht ermöglicht: Zunächst nach Genf, danach in die Karibik ... Und dann verloren die Fahnder die Fährte.

Zurück in Deutschland blieb ein Schuldenberg in Höhe von vier bis fünf Milliarden Mark. An Kleingeld für die weite Reise hatten Schneider und Gattin noch schnell 400 Millionen Mark von diversen Nummernkonton in der Schweiz und in England geräumt.

Der Fall Schneider beschäftigt jedoch nicht nur die Staatsanwaltschaft und das BKA. Der hessische Wirtschaftsminister Ernst Welteke (SPD), der nach den Landtagswahlen gerne Präsident der Hessischen Landeszentralbank werden möchte, hatte kurz nach dem Zusammenbruch von Schneider GbR und Schneider AG eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema „Großkonkurse“ eingerichtet.

Zusammen mit Vertretern der Wissenschaft sollten Experten aus dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium, dem Finanzministerium und dem Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung prüfen, welche gesetzlichen Vorschriften geändert werden müssen, damit es in Zukunft nicht mehr zu derartig desaströsen Zusammenbrüchen großer Firmen kommen kann. Die Untersuchungen, die in der letzten Woche abgeschlossen wurden, betreffen das Kreditwesengesetz und das Hypothekenbankgesetz, das Insolvenzrecht, Transparenz- und Publizitätspflichten von Unternehmen und die Besteuerung der Immobilienwirtschaft.

In ihrem Abschlußbericht kommen die Experten zu dem Schluß, daß das Handelsregister unbedingt zu einem Konzernregister umgebaut werden müsse, um die gewollte „Undurchschaubarkeit von Geflechten von Unternehmen und Beteiligungen“ – wie bei Schneider – in Zukunft verhindern zu können. Die Gremienmitglieder sprachen sich auch dafür aus, daß ab einer bestimmten Größenordnung von Bilanzsumme und Umsatz eine Buchführungspflicht eingeführt werden müsse. Bei Immobilienverwaltungen, wie bei der Schneider GbR, sei es nämlich bislang unklar, ob für diese Firmen die Buchführungspflicht überhaupt gelte.

Als notwendig erachtet die Arbeitsgruppe auch eine Ergänzung der Regeln im Kreditwesengesetz, die es den Banken ermöglichen soll, bereits im Stadium der Prüfung der Großkreditvergabe Einsicht in die Evidenzmeldungen der Deutschen Bundesbank verlangen zu können. Schneider hatte etwa der Deutschen Bank mit angeblich falschen Angaben Kredite in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Mark – für den Vorstandschef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, „peanuts“ – aus den Rippen geschnitten. Außerdem regte die Expertenrunde Änderungen bei der Besteuerung der Immobilienwirtschaft an. Grundsätzlich müßten auch die Gewinne beim Verkauf privater Immobilien sofort versteuert werden – ohne die Gewährung einer zweijährigen Spekulationsfrist. Die geltende Regelung sehe nur die umgehende Besteuerung der Gewinne bei der Veräußerung von betrieblich genutzen Immobilien vor.

Auch an die von Schneider betrogenen Bauhandwerker haben die Gremienmitglieder gedacht. Ihnen solle ein „konkursfester“ Ausgleichsanspruch für ihre eingebauten Materialien und für die erbrachten Wertschöpfungen zugestanden werden. Damit werde sichergestellt, daß sich die Handwerksbetriebe „vorrangig“ aus einer Konkursmasse „befriedigen“ könnten. Das Problem, wie eine solche Regelung gesetzlich verankert werden könne, müsse allerdings noch in weiteren Untersuchungen geklärt werden, heißt es in dem Abschlußbericht der Experten.

Die hessische Landesregierung hat zugesichert, sich auf allen Ebenen konsequent für die Umsetzung der Vorschläge der Arbeitsgruppe einsetzen zu wollen. Sollte der Zusammenbruch des Schneider-Imperiums tatsächlich zu den angeregten Gesetzesänderungen führen, hätten sich Schneider und seine Frau am Ende noch indirekt um die Republik verdient gemacht. Haben nicht schon ganz andere Gangster das Bundesverdienstkreuz bekommen? Nur mit der persönlichen Verleihung wird's schwierig werden, denn der alte Kalauer stimmt noch immer: Kennen Sie Schneider? Flüchtig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen