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Kamellen von vorgestern

■ betr.: „Doch kein Aus für ,Verein SO 36‘“, taz vom 6.12.94

„Kreuzberger Bürgermeister Strieder will Baustadträtin Romberg (Grüne) zur Zahlung von 100.000 DM verdonnern“, so lautet die publicityträchtige Unterzeile in der taz. Hätte Uwe Rada sich sachkundig gemacht, so hätte er einen Artikel in der folgenden – zugegebenermaßen unspektakulären – Art schreiben müssen: „Finanzierung der weiteren Arbeit des Vereins SO 36 in Teilen gesichert“.

Bereits seit zirka zwei Monaten versucht Baustadträtin Romberg über bereits schon von ihr zugesagte Personalmittel in Höhe von 75.000 DM und zusätzliche Sachmittel hinaus, weitere Mittel für die Vereinsarbeit im Bezirksamt einzuwerben. Dies scheitert jedoch regelmäßig an SPD und CDU. In der Haushaltsausschußsitzung im September 94 scheiterte Bündnis 90/Grüne/AL mit dem Antrag, durch Sparumlagen, Inanspruchnahme von Verstärkungsmitteln, durch Einsparungsbeträge im konsumptiven Bereich und der Inanspruchnahme von Sanierungsmitteln für ordnungsrechtliche Maßnahmen die Beträge für die Weiterfinanzierung der Vereinsarbeit aufzubringen. Statt dessen beharrte die SPD darauf, nach wie vor zu versuchen, die Mittel im Landeshaushalt einstellen zu lassen.

Dies schien aber bereits zu dem Zeitpunkt relativ unwahrscheinlich. Entsprechend des Einverständnisses mit der SPD begab sich Bündnis 90/Grüne/AL auf die Suche nach Titeln im Bezirkshaushalt, die u.E. als sogenannte Puffer für eventuell anstehende erhöhte Mehrausgaben in anderen Bereichen verwendet werden, um diese für den Verein zu verwenden.

In der darauffolgenden Ausschußsitzung kam von seiten der SPD allerdings nichts, lediglich die Ablehnung sämtlicher Vorschläge, die von Bündnis 90 eingebracht worden waren. Fazit war die Erkenntnis, daß der politische Wille zum Erhalt der Vereinsarbeit nicht vorhanden war.

Ausreichend war für die SPD, daß die Baustadträtin hinsichtlich der Vereinsfinanzierung im Schlaglicht der Öffentlichkeit stand, den Wirtschafts- und Finanzstadtrat der CDU verschonte man mit Kritik. Auch ein nochmaliger Versuch von den Grünen, in die letzte BVV-Sitzung einen Dringlichkeitsantrag einzubringen, stieß bei der SPD auf Ablehnung.

So weit die ganz unspektakulären Ereignisse.

Der eigentliche Witz an dem ganzen Verlauf besteht darin, daß SPD-Strieder mit der oben angegebenen Pressemeldung sich der Aufmerksamkeit der schreibenden Zunft sicher sein kann, obwohl seine Verkündungen doch Kamellen von vorgestern sind, die Mittel, zu denen er Romberg „verdonnern“ will, schon längst dafür vorgesehen sind, und eigentlich nichts als heiße Luft und ein Artikel in der Zeitung übrigbleibt.

Respekt Herr Strieder, das ist wohl die Variante gelungener Öffentlichkeitsarbeit, die aber aufgrund ihrer Verlogenheit die Unglaubwürdigkeit der Politik befördert.

Uwe Rada, Du hättest eigentlich wissen müssen, daß die bezirksinterne Debatte um die Finanzierung des Vereins SO 36 viel weiter fortgeschritten ist. Warum also begnügst Du Dich mit Pressemeldungen des Bezirksbürgermeisterbüros, die noch dazu völlig überholt sind? Mechthild Brockschnieder,

BVV Kreuzberg

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