: Gestatten, Willfried Maier
■ Ein pragmatischer Intellektueller rückt an Stelle von Krista Sager an die Spitze der grünen Bürgerschaftsfraktion Von Florian Marten
Unter den Abgeordneten der Bürgerschaft genießt er mittlerweile ungewöhnlichen Respekt, bei den Lästermäulern der Grünen ist er fast nie Gegenstand von Sottisen oder Sticheleien: Willfried Maier, 52, Philosoph, Literaturwissenschaftler und Volkswirt, ist ein ungewöhnlicher Politiker. Intelligent, überlegt, integer, zuverlässig, wenig eitel, kein öffentliches Charisma, ein Liebhaber gewichtiger Argumentationsketten mit Defiziten in Sachen Populismus und Demagogie – also den Job verfehlt?
Obwohl Maier weder als Feindbild noch als politische Identifikationsfigur viel her macht, besitzt er Eigenschaften, die in Parteien und Öffentlichkeit gleichermaßen gut ankommen: Engagiert, aber nicht machtgeil, zielbewußt, aber jedem Kopf-durch-die-Wand abhold. Ähnlich wie seine Vorgängerin Krista Sager wirkt er nach innen wie außen glaubwürdig, eine Ausstrahlung, die heute kaum überschätzt werden kann.
Maier trat den Grünen gleich bei ihrer Gründung im Jahr 1980 bei. Er zählte nach einem heute von ihm als „unergiebigen Weg der Systemopposition“ abgetanen Intermezzo beim Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) von 1973 bis '76 schon damals zu den Realos, jenen, „die die Reform der Gesellschaft innnerhalb ihres gegenwärtigen Rechts- und Institutionensystems anstreben“, wie Maier es formuliert. In Hamburg war er mit dieser Position lange in der Minderheit. Er hielt sich in dieser Zeit aus dem innerparteilichen Machtkampf zurück und begleitete die GAL allenfalls mit diskursiven Einwürfen.
1991 aber, bei der grünen Wende in Hamburg von der Fundamentalopposition zur Rot-Grün-Option, mischte sich Maier sofort engagiert ein. Vermittelnd und analysierend sorgte er hinter den Kulissen für jenen Schuß Souveränität, der die Lust am innerparteilichen Schlagabtausch auf Seiten der Realos bremste. Maier, im Erstberuf Dozent in der Erwachsenenbildung, ist fraglos einer der besten und besonnensten Politiker, den die Grünen derzeit aufbieten können.
Ob er die neue Rolle im Rampenlicht ebenso ausfüllt wie seine bisherige stillere Doppelrolle als Parteiintegrator und hochkompetenter Parlamentarier, muß sich allerdings erst noch zeigen. Maier ist wenig macht- und medienbewußt, „da bin ich ungeübt“, ihn drängt es mehr zur Kraft des Wortes: „Mir ist Anerkennung dort wichtig, wo ich auf urteilsfähige Menschen treffe. Die Arbeit im Parlament ist mir schon von daher wichtig – und sie macht mir richtig Spaß.“ Ein Parlamentarier, der das Parlament und die Debatte richtig ernst nimmt – sicherlich ein Anachronismus und doch vielleicht auch ein Fingerzeig, daß ohne die Neubelebung parlamentarischer Demokratie überfällige Reformen nicht zu haben sind.
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