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Zar Boris setzt auf Krieg

■ Nach Bombenangriffen auf Grosny verstärkter Widerstand tschetschenischer Truppen

Grosny/Moskau (taz/AFP) – Boris Jelzin hat seine Drohung wahr gemacht. 24 Stunden nach Ablauf eines Ultimatums an die tschetschenische Führung begannen russische Flugzeuge Grosny, die Hauptstadt der nach Unabhängigkeit strebenden Kaukasusrepublik, zu bombardieren. Ab Sonntag um 23.10 Uhr fielen im Abstand von 15 Minuten Bomben auf das Zentrum der 400.000-Einwohner-Stadt. Etwa 500 Meter vom Amtssitz des tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew barsten die Fenster zahlreicher Häuser. Russische Truppen rückten gestern bis auf ungefähr sechs Kilometer auf den Palast Dudajews vor. Nach tschetschenischen Angaben wurden in der Nacht zuvor unter anderem der Fernsehturm, etwa 15 Kilometer von Grosny entfernt, und das zentrale Elektrizitätswerk von Bomben getroffen.

Der Angriff auf Grosny scheint den Widerstand der tschetschenischen Truppen verstärkt zu haben. Der Vormarsch russischer Panzer auf Grosny konnte gestern vormittag teilweise gestoppt werden. Die Kämpfe um die Dörfer Dolinski und Petropawlowskaja hätten – so tschetschenische Angaben – den Charakter eines Stellungskrieges angenommen. Außerdem gab es weitere Anzeichen dafür, daß die Tschetschenen schon bald von Soldaten anderer Gebiete der russischen Förderation unterstützt werden könnten. Ein Führer der Konföderation der Völker des Kaukasus erklärte, seine Organisation habe beschlossen, Tschetschenien gegen Rußland zu unterstützen. Es würden in mehreren Städten des Nordkaukasus Stäbe geschaffen, um Freiwillige zu mobilisieren. Angesichts dieses wachsenden Widerstandes will Moskau seine Truppen in Tschetschenien offenbar verstärken. Wie aus gutinformierten Kreisen in Moskau verlautete, wird die Marineinfanterie der Schwarzmeerflotte im Krisengebiet erwartet. Im Laufe des Tages sollten auch gutausgebildete Soldaten aus den Wehrkreisen der Wolga, Sibiriens und des Urals in Tschetschenien eintreffen.

Zugleich denkt der Kreml jedoch schon an die Zeit nach Beendigung der Kämpfe. So ernannte Jelzin gestern den stellvertretenden Ministerpräsidenten Nikolai Jegorow zu seinem Sonderbeauftragten für Tschetschenien. Er soll die Arbeit der russischen und tschetschenischen Behörden koordinieren und sich an der Arbeit der Regierung in Grosny beteiligen.

Immer deutlicher ist inzwischen in Moskau der Krieg mit Tschetschenien zu spüren. So ordnete das Verteidigungsministerium gestern an, die Zufahrtstraßen in die Hauptstadt durch Schützenpanzer zu sichern. Der Schutz strategisch wichtiger Einrichtungen wurde verstärkt. Autos wurden zum Halten gezwungen und überprüft. Verstärkte Kontrollmaßnahmen wären nach Angaben der Regierung nötig, da „Gesandte des tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew“ versuchten, in Moskau und anderen Großstädten der ehemaligen Sowjetunion Tschetschenen für ihre Sache zu mobilisieren. Das letzte Mal hatte Jelzin im Oktober 1993, während der Auseinandersetzung mit dem russischen Parlament, Panzer in den Straßen Moskaus auffahren lassen. her/khd

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