: Was ist, haha, mit Hedos?
Weniger das 4:5 gegen die DEG als das Ende der Münchner Maddogs beeinträchtigt die Stimmung bei DEL-Tabellenführer BSC Preussen ■ Aus Berlin Peter Unfried
In einem engen Verlies, tief unter den Rängen der Eissporthalle Jafféstraße, hatten die Trainer just mit besinnlichem Timbre Stellung zum Spiel genommen, als die anderen DEL-Resultate hereingeschneit kamen. „Was“, hob da Hans Zach erstmals seine Stimme an, „ist mit Hedos?“ Es verzog der Trainer der Düsseldorfer EG sein Gesicht zu einem maßvollen Grinsen, als er fragte: „Haben die nicht gespielt?“ Haha, haben sie nicht, tun sie auch nicht mehr, das ist sicher. Falls in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) tatsächlich etwas sicher sein sollte. Und richtig lustig findet der Zach das auch nicht. „Das Thema Maddogs steht mir bis zum Hals“, hat er gesagt. Exakt dort steht es einigen, aus unterschiedlichen Gründen.
Ein schlichter ist die Tatsache, daß das sogenannte „Sportliche“ viel stärker, als das irgendein DEL-Gründer einzukalkulieren vermochte, in Zweifel gezogen und in den Hintergrund gedrängt worden ist. Das stört insbesondere jene, die ihre Geschäfte derzeit in verhältnismäßiger Ruhe führen und für die es auf dem Eis zudem prächtig läuft. Die Berliner Preussen sind da aus gegebenem Anlaß an erster Stelle zu nennen, die haben am Dienstagabend die Tabellenspitze erklommen: 4:5 (2:0, 1:1, 1:3, 0:1) hat man zwar nach Verlängerung gegen die Düsseldorfer EG verloren, doch dafür einen Punkt gutgeschrieben bekommen.
Den hat man sich redlich verdient. Die grundsätzlich durchaus vernünftige These, nach der die einen (Mannheim, Krefeld) etwas besser, die anderen aber, (gerade die DEG) weniger gut geworden sind, so daß sich die Ligaspitze auf mittlerem Niveau gefunden hat, trifft derzeit auf die Preussen nur bedingt zu. Die sind gut. Mit den nötigen technischen Voraussetzungen und beträchtlichem Tempo spielt man eine Vielzahl überraschender, teils verwirrender Pässe, die sich aber, wenn das Auge ihnen mühsam nachgeeilt ist, wie von Zauberhand zu Kombinationen von akkurater Geometrie zusammenfügen. „Wir haben ein gutes Spiel gemacht“, lobte hinterher auch Trainer Kevin Primeau, „viel Druck gemacht, viele Gelegenheiten gehabt.“ Alles richtig, alles prima, aber? „Aber ... schade.“
Treffend formuliert. Etwas böttigeresker: Die Preussen haben das ästhetische Erlebnis „Spielen“ über das prinzipielle und ökonomische Prinzip „Gewinnen“ erhoben. Nicht bewußt. Die Chabots und Tantis hatten halt plötzlich eine unbändige Freude am Spiel. Und sich damit in den größtmöglichen Gegensatz zur Düsseldorfer EG begeben. Dort funktioniert, allem Gerede zum Trotz, das Kollektiv noch, wird auch, wie Zach befriedigt gesehen hat, „hart gearbeitet“, doch vielleicht nicht mehr so effektiv wie einst. Das hat der Meister selbst eingestanden, nonverbal, indem er unlängst den die Individualität verkörpernden und also anachronistischen Dieter Hegen aus München zurückbeordert hat.
Das Kollektiv ist fehleranfällig, vor allem, wenn der Gegner so schnell spielt, so genau paßt, so selbstbewußt die Chance sucht, wie die Preussen das taten. Andererseits ist Zach gewieft genug, um nach schnellem 0:2-Rückstand auf vier Reihen umzustellen, den Gegner also verstärkt „kräftemäßig in Anspruch“ (Zach) zu nehmen, sein Team so abgebrüht, die Fehler, die insbesondere die deutsche Nummer 1, Klaus Merk, machte, zu Treffern zu nützen. „Der Gegner hat ein paar kleine Dinge besser gemacht“, sagen in einem solchen Fall die Nordamerikaner und sagte also auch Kevin Primeau. Mit aller Hochachtung. Denn: „Das hat den Ausschlag gegeben.“
Und nicht, daß die Preussen die großen Sachen zelebriert haben. „Das“, hat also der Kanadier gemerkt, „müssen wir lernen.“ Daß es nämlich auch in den Play-offs Spiele geben wird, in denen selbst drei hochwertige Sturmreihen nicht selbstverständlich mehr Treffer produzieren, als das lustvolle Stürmen Fehler bedingt. Wenn nämlich der Gegner wenig macht und gut genug ist, die der Preussen auszunützen. Das freilich ist eine Stellenbeschreibung, mit der man getrost nach dem deutschen Meister fahnden kann. Ob der noch einmal, und damit zum vierten Mal in fünf Jahren, Düsseldorfer EG heißen kann? „Die DEG“, glaubt zumindest Hans Zach, „lebt noch.“
Das mag dem Unbedachten wenig scheinen, ist aber immerhin mehr als andere von sich sagen können. Und welche Aussagekraft mag andererseits die weihnachtliche Tabellenführung der Preussen haben, sechs Punkte vor den viertplazierten Düsseldorfern? Unlängst wurde man von der pole position geschubst, weil Mannheim Punkte per Post bekam. Nun droht ein veritabler Punkteschwund, weil man wenig perspektivisch zweimal volle Pulle gegen die entschlafenen Maddogs gewirbelt und gewonnen hat. Und was mag erst passieren, wenn die angeschlagene Eisbären-GmbH aus Hohenschönhausen auch noch dicht machen muß? Dann müßten die Preussen acht Punkte zurückgeben und wären womöglich, haha, so raunt man sich im Halbspaß an den Theken in Berlin-Eichkamp zu, nicht einmal mehr in den Play-offs.
„In erster Linie“, sagt Preussen- Präsident Windler, „ärgert es mich, daß wir uns mit der DEL der Lächerlichkeit preisgeben.“ Was das heißt? Die Play-offs können die Preussen kaum verpassen: Doch ansonsten kann tatsächlich noch einiges passieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen