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Tempodrom

■ betr.: „Vorwärts nach gestern“ taz vom 16.12.94

Was hätte Gerd Nowakowski geschrieben, wenn er vor etwa einer Woche den Leserbrief von Barbara Österheld zum Thema gelesen hätte? [...]

Die taz setzt sich nicht etwa mit der Frage auseinander, weshalb das Tempodrom einen neuen Standort suchen muß. Das Recht der neuen Herren der Stadt wird nicht in Frage gestellt. Vielmehr sucht die taz mit nach der schwächsten Stelle für einen Ersatzstandort und meint ihn – mit dem Mainstream – in Kreuzberg, nicht etwa auf dem Schloßplatz gefunden zu haben. Mag sein, daß es eine „intelligente Lösung“ ist, sich so bei den neuen Herren anzubiedern – ob das der taz auf die Dauer die Existenz sichert oder ob sie sich nicht mit etwas mehr Widerstandsgeist und Geschichtsbewußtsein „politikfähiger“ zeigen würde, wird die Zukunft zeigen. Gudrun Rogge

Gerd Nowakowski brilliert in seinem Kommentar mit einer „kristallklaren“ Beschreibung des Kreuzberger Grünen-Soziotops: konservative Politik mittels Blaupausen.

Das langwierige Bebauungsplanverfahren nach der Grundstücksübernahme von der Reichsbahn ist kurz vor der Vollendung. Auch die SPD war für die Festlegung des Anhalter Personenbahnhofgeländes als Grünfläche – gibt es eine intelligentere Lösung als Festschreibung von Grün?

Die neueste Strieder-Variante: Damit debis, der Hauptsponsor des neuen Tempodroms, am Gleisdreieck doch noch ein Parkhaus mit weiteren 1.000 Stellplätzen errichten darf, sollen die Parkplätze nach Feierabend dem Tempodrom zur Verfügung gestellt werden! Das bringt noch mehr Autoverkehr, trotz SPD-großspurig verkündeter Verkehrsvermeidung bei einem Modal-split von 20 zu 80 (IV-ÖV). Ebenfalls klar bleibt der Kommentator mit seinen halbwahren Aussagen bei der Standortfrage: Ist der Schlesische Busch nicht auch im Zentrum, lieber Gerd, oder denken wir immer noch in Ost-West-Schemata?

Die taz mag den sozialdemokratischen Umbau Berlins zur grünarmen Metropole als kleinerer Partner unterstützen, sie sollte sich aber vorher zum Thema informieren.

Übrigens: Da die Kreuzberger Grünen sowieso für den 12.1.95 eine Veranstaltung zum Thema Tempodrom organisieren, brauchte man sie auf dem Landesausschuß nicht erst dazu zu verdonnern! Volker Kemeter, Kreuzberg

Wieder einmal sieht sich Gerd Nowakowski gezwungen, den Kreuzberger BündnisGrünen die Leviten zu lesen. Wieder einmal werden die Chefredakteure der Berliner Partei aufgerufen, den „Provinzpossen“ und dem „Wahrnehmungsverlust“ des „Kreuzberger Soziotops“ entschieden entgegenzutreten. [...]

Nun läßt sich über die richtige Güterabwägung trefflich streiten, doch Gerd Nowakowski läßt sich auf solche „Possenspiele“ gar nicht ein, sondern flüchtet lieber in eine Polemik über die Generallinie. So meint er, es sei eine „intelligente“ Antwort bei Investorendruck auf Parkanlagen, diese vorsorglich mit einer sinnvollen Bebauung zu qualifizieren. Frei nach dem Ersten Physikalischen Gesetz, wo ein Baukörper steht, kann kein anderer mehr hin. Mit diesem Argument hatte mal die Kreuzberger SPD-Fraktion den Bau einer Olympia-Sportanlage am Gleisdreieck ins Gespräch gebracht.

Zum zweiten sorgt sich Gerd um die Zukunft von „Rot-Grün“. Ob das Tempodrom auf Vorschlag der Kreuzberger SPD am Anhalter Park oder auf Vorschlag von „Rot-Grün“ aus Treptow am Schlesischen Busch beheimatet wird, kann die rot-grüne Perspektive wohl kaum berühren. Ansonsten hat Gerd durchaus recht, daß es eine rot-grüne Kontroverse um die Innenstadtplanung gibt, wie sie sich am krassesten bei der Tunnelplanung zeigt. Oder wenn Gerds Hoffnungsträger Peter Strieder bei der Öffnung der Oberbaumbrücke gemeinsam mit Diepgen und Nagel die Schließung des Innenstadtrings feiert, während der Friedrichshainer Bürgermeister Helios Mendiburu lieber Abstand hält, so zeigt auch dies die Konfliktlinien. Aber falls auch hier die „Gestrigkeit“ der Grünen wegkommentiert wird, steht Rot-Grün nichts mehr im Wege. Reimund Helms, BündnisGrüne

Kreuzberg

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