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Unhaltbare Zustände

Die Justizverwaltung räumt Mängel im Haftkrankenhaus Moabit ein / Das Grundsatzurteil des Arbeitsgerichtes stärkt die Rolle der Ärzte im Strafvollzug  ■ Von Dorothee Winden

Weil er auf Mißstände im Haftkrankenhaus Moabit aufmerksam machte, wurde dem Chirurg B. fristlos gekündigt – so sieht es der Beamtenbund, der ihn bei seiner Klage vor dem Arbeitsgericht unterstützt. Die Justizverwaltung wirft ihm dagegen vor, bei seinen Beschwerden den Dienstweg nicht eingehalten zu haben, und versuchte ihm Behandlungsfehler nachzuweisen. Vor dem Arbeitsgericht erlitt die Behörde Mitte Dezember jedoch eine Niederlage. Richter Korinth erklärte die Kündigung des Chirurgen für unwirksam und verdonnerte die Justizverwaltung dazu, eine Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Das Urteil könnte die Position der Ärzte im Strafvollzug stärken. B. hatte sich während des Prozesses darauf berufen, daß ihm die ärztliche Berufsordnung verbiete, Weisungen von Nichtmedizinern entgegenzunehmen. Unterstützt wird er auch von der „Fraktion Gesundheit“ der Ärztekammer, die seit Jahren vergeblich fordert, daß das Haftkrankenhaus der Fachaufsicht des Gesundheitssenators unterstellt wird. Nur so ließe sich gewährleisten, daß dort die üblichen Standards eingehalten werden.

Der Auslöser für die Kündigung war die Auseinandersetzung um einen Rollstuhlfahrer in U-Haft gewesen. B. hatte ihn auf Vorschlag eines Anstaltsarztes in das Behring-Krankenhaus verlegen lassen, weil die Behindertenzelle eine Reihe von Mängeln aufwies. Die Justizverwaltung ließ den Querschnittsgelähmten, der zudem erkrankt war, jedoch in das Haftkrankenhaus zurückbringen. Als Grund nannte der Vertreter der Justizverwaltung, daß es wegen Personalmangel nicht möglich gewesen sei, Beamte zur Bewachung des Rollstuhlfahrers in das Behring-Krankenhaus zu entsenden.

Die schweren Mängel des Haftkrankenhauses Moabit gibt die Justizverwaltung unumwunden zu. Die bauliche Situation sei „kaum zu verantworten“, erklärt Christoph Flügge, der dort für den Strafvollzug zuständig ist. Im Operationssaal dürfen seit 1991 nur noch kleinere Eingriffe vorgenommen werden, weil die Ordnungsbehörde einschritt. In den alten Gemäuern sei es nicht möglich, den notwendigen hygienischen Standard zu halten, kritisiert der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis90/Die Grünen, Bernd Köppl.

Wenn das Haftkrankenhaus in Buch fertiggestellt ist, soll alles besser werden. Doch mit einem Baubeginn ist erst 1997 zu rechnen. Für die nicht unbeträchtliche Zwischenzeit sieht er keine Möglichkeit, in Moabit Abhilfe zu schaffen: „Baulich und technisch ist kein Umbau möglich. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als den Mangel zu verwalten.“

Bedrückend ist auch die Lage der psychisch kranken Häftlinge. In der psychiatrischen Abteilung in Tegel sind nur 33 Plätze vorhanden. Der Bedarf ist jedoch weitaus größer. „Mehr als ein halbes Dutzend psychisch Kranke waren in meinem Verantwortungsbereich ,abgestellt‘ und wurden nicht behandelt“, bemängelte B.

Die Justizverwaltung will achtzig bis neunzig Plätze für psychisch kranke Gefangene schaffen. Wo, ist allerdings noch unklar. „Leider“, so Flügge, sei im Haftkrankenhaus Buch keine psychiatrische Abteilung vorgesehen. Dies sei bislang am Parlament gescheitert. Wenn sich hier nichts bewege, bliebe nur ein Umbau in Tegel. An den dortigen Zuständen, die auch in einem internen Gutachten als untragbar bezeichnet werden, wird sich also auf absehbare Zeit nichts ändern.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts will die Justizverwaltung Berufung einlegen.

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