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Teilungsplan für Bosnien vom Tisch

■ Kontaktgruppe verzichtet auf Vorbedingung für Verhandlungen

Genf (taz) – Frieden um jeden Preis – nach diesem Motto wird die internationale Bosnien-Kontaktgruppe demnächst ihre bisherige Vorbedingung für neue Verhandlungen mit den bosnischen Serben aufgeben, wonach diese zunächst den Teilungsplan der Kontaktgruppe akzeptieren müssen. Das bestätigten Diplomaten mehrerer Kontaktgruppen-Staaten gegenüber der taz. Die jüngste Vermittlungsmission des amerikanischen Ex-Präsidenten Carter diente dazu, der Clinton-Administration diesen Schritt ohne allzu großen Gesichtsverlust zu ermöglichen.

Den Teilungsplan, der der muslimisch- kroatischen Föderation 51 und den Serben 49 Prozent des bosnischen Territoriums zuweist, hatte die Kontaktgruppe den Kriegsparteien im Juni als „unverhandelbar“ und mit der Forderung nach rechtlich verbindlicher Annahme durch schriftliche Unterzeichnung unterbreitet. Erst danach sollten Verhandlungen über Fragen einer Verfassung sowie eventueller konföderativer Verbindungen der bosnischen Serben zu Serbien verhandelt werden.

Bereits Anfang Dezember reduzierte die Kontaktgruppe gegenüber den Serben die Forderung nach Unterzeichnung auf eine mündliche Annahmeerklärung. Als die bosnische Regierung bei ihren Verhandlungen mit Carter auf der „Annahme des Friedensplans“ durch die Serben als „Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen“ bestand, Serbenführer Karadžić sich aber nur zu Verhandlungen „auf Basis des Kontaktgruppen-Plans“ bereit erklärte, sah Carter darin „nur semantische Differenzen“.

Doch hinter der scheinbaren Ahnungslosigkeit des Ex-Präsidenten steckt Methode. Inzwischen haben US-Außenminister Christopher und andere Vertreter der Clinton-Administration die Sprachregelung vom Kontaktgruppen-Plan als „Basis“ für Verhandlungen übernommen. Washington geht es nur noch darum, die beiden Kriegsparteien wieder an einen Tisch zu bekommen. „Dann wird verhandelt, und wir werden sehen, welcher Plan am Ende herauskommt“, formulierte ein US-Diplomat gestern. Der Vertreter eines anderen Kontaktgruppen-Staates bestätigte gestern, der Teilungsplan der Gruppe sei „als Vorbedingung für weitere Verhandlungen bereits zu drei Viertel vom Tisch“. Frankreichs Außenminister Juppé erklärte, die Serben müßten sich lediglich „im Prinzip“ einverstanden erklären.

Ob der von Carter ausgehandelte Waffenstillstand wie geplant heute mittag um 12 Uhr in Kraft treten wird, galt bis gestern abend als unsicher, nachdem am Morgen bei dem Granatenbeschuß eines Flohmarkts in der Altstadt von Sarajevo zwei Menschen getötet und zahlreiche zum Teil schwer verletzt wurden. Nur knapp zwei Stunden später traf der UN-Beauftragte Akashi zu Gesprächen mit der bosnischen Regierung in der Hauptstadt ein. Akashi erklärte nach seinem Gespräch mit Bosniens Vizepräsident Ganić, fast alle Details für den Waffenstillstand seien geklärt. Später wollte er mit den bosnischen Serben zusammentreffen. Die Kämpfe um das von ihnen belagerte nordwestliche Bihać flauten am Donnerstag ab – möglicherweise in Folge schwerer Schneefälle. Andreas Zumach

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