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226 Tage: Das war's, Berlusconi

■ Italiens Regierungschef kommt mit dem Rücktritt seiner Abwahl zuvor / Staatspräsident Scalfaro will noch vor Weihnachten mit Konsultationen über neue Regierung beginnen

Rom (taz) – Ein Jahr minus zwei Tage war er in der Politik, gut sieben Monate Ministerpräsident und vierzig Minuten zur letzten Audienz bei Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro – dann gab gestern mittag dessen Sprecher den Rücktritt von Silvio Berlusconi bekannt. Seitdem ist Italiens politischer Senkrechtstarter zunächst einmal weg vom Zentrum der politischen Macht. Mit seinem Rücktritt kam er seinem Sturz durch ein Mißtrauensvotum in der Abgeordnetenkammer zuvor. Nach einer kurzen Ministerratssitzung am späten Vormittag war Berlusconi zu Scalfaro gegangen, um ihm die Gründe für seinen Rücktritt zu erklären, den dieser auch prompt annahm. Von Neuwahlen, die von Berlusconi gefordert werden, ist bisher nicht die Rede.

Auslöser war der Austritt der Liga Nord aus der Koalition: Mit bebender Stimme hatte Liga-Chef Umberto Bossi, den Berlusconi in seiner Rede vor den Abgeordneten als Verräter und Räuber von Wählerstimmen bezeichnet hatte, dem Regierungschef seinerseits den Satz entgegengeschleudert: „Ehrenwerter Herr Ministerpräsident, ich entziehe Ihnen mein Vertrauen.“ Nicht alle Liga-Abgeordneten sind freilich mit dem Totalbruch ihres Chefs einverstanden. Eine starke Minderheit unter der Führung des bisherigen Innenministers Roberto Maroni möchte Berlusconi erneut als Regierungschef sehen, möglicherweise mit einer anderen Koalition als bisher – unter Einschluß der Ex-Christdemokraten, der Italienischen Volkspartei. Das aber ist nur möglich, wenn Berlusconi die Neofaschisten ausschließt, was er nur schwer kann.

Staatspräsident Scalfaro hat angekündigt, noch vor Weihnachten mit den Konsultationen für eine neue Regierung zu beginnen. Nach früheren Erklärungen, sowohl von Liga-Chef Bossi als auch dem Vorsitzenden der Linksdemokraten, Massimo D'Alema, soll eine neue Regierung bereits vereinbart sein. Dabei strebe man nicht eine feste Koalition an, sondern eine auf wenige wesentliche Programmpunkte beschränkte Vereinbarung mit den Parteien der Mitte, insbesondere der Italienischen Volkspartei, dem „Referendumspakt“ des DC-Dissidenten Mario Segni sowie einigen kleineren Fraktionen und – die Hoffnung stirbt nie aus – auch Abtrünnigen aus Berlusconis Bewegung Forza Italia.

Wer eine solche Allianz führen könnte, ist allerdings bisher nicht bekanntgeworden. Der wiederholt ins Spiel gebrachte ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga, ein an sich wegen seiner Unberechenbarkeit gefürchteter, doch inzwischen offenbar auch von seinen Gegnern akzeptierter Politiker der rechten Mitte, hat eine Regierungsbildung unter ihm als unwahrscheinlich bezeichnet. Mit der Einschränkung jedoch, daß es „Wunder in Italien doch immer wieder gibt, und dies wäre ein solches“.

Als Alternative könnte sich Staatspräsident Scalfaro jedoch auch ein eigenes Kabinett basteln, eine Notstandsregierung, die die normalen administrativen Geschäfte erledigt und sich für einige wichtige Gesetzesvorhaben wie das anstehende Antitrust- und Mediengesetz sowie eine Wahlrechtsänderung jeweils wechselnde Mehrheiten sucht und dann Platz für Neuwahlen macht.

Wahrscheinlicher ist fürs erste jedoch eine bereits in der Vergangenheit mehrfach erprobte Version, nach der das Staatsoberhaupt zunächst einem hohen Repräsentanten des Staates – etwa Senatspräsident Scognamiglio oder Abgeordneten- Vorsteherin Irene Pivetti – den Auftrag zur Sondierung möglicher Alternativen erteilt und den formellen Regierungsauftrag erst danach vergibt. Werner Raith

Kommentar Seite 10

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