Village Voice: Wie bei Rudis Reste-Rampe
■ Mit ihrer neuen CD „Sgnarf Yo Gom!“ wollen Gom Jabbar das Berufsbild des Musikers imagebereinigen
„Die meisten denken, wir sind ein Haufen gottverdammter Idioten, vollgepumpt mit Drogen. Leute, die ihre Zeit verschwenden mit der Herstellung von Krach.“ Natürlich denken wir das. Während andere hart an einem Image als dirty old Rocksack arbeiten, hat sich die Berliner Combo „Gom Jabbar“ scheinbar vorgenommen, endlich das Berufsbild des Musikers imagezubereinigen. Denn es kann doch nicht angehen, daß der längst ehrliche Beruf des Rockmusikers in der gesellschaftlichen Achtung inzwischen schon hinter den Nutten liegt – die sind wenigstens organisiert und eigentlich Künstlerinnen (siehe Tacheles-Ausstellung).
Musiker aber, da hilft auch keine Abteilung in der IG Medien – falls es die überhaupt gibt –, haben schlechtere Arbeitsbedingungen als Bergarbeiter: „Unser Arbeitsplatz ist schlecht belüftet (,includes dirty air‘) und hat kaum Tageslicht. Wir zahlen die höchsten Mieten für miserable Räume. Musiker sind die Außenseiter der Gesellschaft. Sie haben keine soziale Sicherheit.“ Das sind keine Zitate aus einem alten Flugblatt, das sind, übersetzt aus dem Englischen, Textzeilen aus dem Stück „All I Know“.
Gipfel der Sozialdepression: Sänger Armin Duddeck „liebt seine Arbeit“. Trotz allem, sollte er dazu singen, but how übersetzt man dat? Eigentlich alles nicht der Rede wert, aber die Leute von Gom Jabbar könnten jedermanns Nachbar sein, und die CD ist im freien Handel. Und so bedienen sich Gom Jabbar im frei floatierenden Text- und Musikwirrwarr. Sie machen, nur leider ohne jegliche Ironie, das, wovor uns schon an der Uni die Konsumkritiker gewarnt haben: sie verwechseln die Welt mit einem Supermarkt.
In dem Laden bei Gom Jabbar um die Ecke – er könnte gut an der Hermannstraße liegen oder im Wedding – gibt's die ganz großen Sachen des Lebens zu kaufen. Aber total billig wie bei Rudis Reste-Rampe. Liebe und so Zeug. Aber auch ganz große Themen wie Viren und PC. Nur leider in ganz kleinem Rahmen. Im Song Welcome To Virus geht's nicht um Aids und Political correctness, sondern tatsächlich um Computerviren: „I say welcome to virus. We talk to you in such microsoft words. Gimmie gimmie more megabyte.“
Kein Witz! Tolle Texte, die die Goms leider allesamt auf Englisch vortragen. Die Musik dazu ist zusammengeklaubt aus der Ecke, die im Gebrauchtplattenladen ewig vor sich hinschimmelte: angegammelter Funk der verqualmtesten Siebziger-Kifferfeten. Auf dem Plattencover danken sie den Brecker Brothers und Mother's Finest.
Die Gom Jabbars haben als Kinder sicherlich George Duke, Stanley Clarke (School Days! har!) und Herbie Hancock gehört. Und dazu 'ne dicke Tüte geraucht. O.k., haben wir bei uns ganz genauso gemacht. Und ein verkratzter Hancock ist ja auch durchaus wieder im Preis gestiegen. Aber doch nur, weil man das Zeug heute beim Hören geistig umsampelt. So wie durchaus gute Freunde, die mal stramme Revisionisten (SEW/DKP) waren und vorher im damals klasse stalinistischen KBW, bekennen, „SPD“ gewählt zu haben. Man hat doch dazugelernt.
Auf einem verteckten Track der CD, ganz heimlich am Ende der CD, werden die Gewerkschaftssänger dann doch noch ruppig. Auf deutsch sagen sie es uns direkt und unverschlüsselt: „Küß' meinen Arsch ab und fick' dich doch selbst.“ Kritische Turbo-Golf-Fahrer machen eine CD. Don't put this under the Gabentisch!! Andreas Becker
„Sgnarf Yo Gom!“, Gom Records, Berlin
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