: Flüchtlingsfrauen dürfen in Schweden bleiben
■ Mißhandlung durch Männer wird Asylgrund
Stockholm (taz) – Zum ersten Mal erhalten in Schweden Flüchtlingsfrauen ein eigenständiges, von der Familie unabhängiges Asyl. Die drei Frauen, die von ihren Ehemännern mißhandelt worden waren, dürfen entgegen dem bisherigen Beschluß der Einwanderungsbehörden im Lande bleiben – anders als ihre Männer: Die wurden wegen dieser Mißhandlungen zu Haftstrafen verurteilt und dann des Landes verwiesen. „Es ist nicht angebracht“, so sagte Einwanderungsminister Leif Blomberg nach dem Regierungsbeschluß, „nach derartigen kriminellen Handlungen noch von der Familieneinheit auszugehen, wenn die Frauen nicht mehr länger mit ihren Ehemännern zusammenleben wollen.“
Diese Regelung soll in Zukunft allgemein angewendet werden. Bisher wurde die Familie juristisch immer als Einheit betrachtet, selbst wenn die Eheleute nach den Mißhandlungen nicht mehr zusammenlebten und sich formal in Schweden auch nicht scheiden lassen konnten. Bei den jetzt entschiedenen Fällen dürfen die Frauen mit den Kindern in Schweden bleiben, obwohl sie keine „eigenen“ Asylgründe hatten. Es handelt sich um je ein Flüchtlingspaar aus Kosovo, Serbien und Zaire.
In einem vierten Fall sollte eine kosovo- albanische Flüchtlingsfrau wegen eines Ladendiebstahls ausgewiesen werden. Auch diesen Beschluß der Einwanderungsbehörde hob die Regierung wegen „Unverhältnismäßigkeit“ auf. Schließlich widerrief die Regierung noch einen Ausweisungsbeschluß aus „kulturellen“ Gründen: Eine afrikanische Flüchtlingsfamilie sollte abgeschoben werden, weil der Vater seinem Sohn eine Ohrfeige gegeben hatte. In Schweden ist das Schlagen von Kindern immer eine Straftat – auch wenn es die Eltern sind. „Man kann das nicht verteidigen“, so Minister Blomberg, „aber muß die Folgen für die ganze Familie berücksichtigen, die sich ansonsten nichts hat zuschulden kommen lassen.“
Einen weiteren Grundsatzbeschluß faßte die schwedische Regierung zu den Bootsflüchtlingen, die in großer Zahl aus den baltischen Staaten über die Ostsee geschmuggelt werden. Soweit es sich – und das ist die Mehrheit – um KurdInnen aus dem Irak handelt, dürfen sie bleiben. Blomberg: „Das gilt auch für weitere Flüchtlinge, die wegen ihrer Behandlung durch die irakische Regierung kommen.“ Von diesem „Weihnachtsgeschenk“ sind rund 800 in Schweden lebende KurdInnen betroffen. Reinhard Wolff
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