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Buch der Mißverständnisse

■ Unendliche Kritik einer unendlichen Geschichte: bell hooks untersucht „Black Looks“ in US-Medien und Musik

„Black Looks“ – einmal mehr geht es um Bilder. Bilder vom „Schwarzsein“ und von „den Schwarzen“, Bilder, die sich Weiße machen, die sich Schwarze machen, die die Medien „machen“. Stereotype Bilder. bell hooks, afrikanisch-amerikanische Kultur- und Gesellschaftskritikerin und Professorin für englische Literatur in Yale, schreibt dazu in „Black Looks“: „Sie [die Stereotypen] sind eine Form der Darstellung, so unrichtig sie auch sein mögen [...], sie stehen für das, was wirklich ist.“

Dieser Satz kann durch das ganze Buch mitgenommen werden. bell hooks hat früh untersucht, was mittlerweile zum Essential der black studies geworden ist: Die Rollenzuschreibung von Schwarzen in den Medien, wo sie als exotisches Element herhalten müssen – kulturelle Differenz, die sich gut verkauft. hooks, Kritikerin aus den Kreisen der black women's studies, zeichnet die Phänomene zunächst an der Oberfläche auf, sucht dann nach ihren Wurzeln und geheimeren Verästelungen. In Filmen von Jennie Livington („Paris is Burning“) bis Spike Lee („Mo Better Blues“) deckt die Kulturwissenschaftlerin exemplarisch auf, wie das Thema „Rasse“ den Blick determiniert. Selbst beim schwarzen Vorzeigeregisseur Spike Lee bleibt die schwarze Frau in der Rolle des (Sexual-)Objektes festgeschrieben. Und auch Madonna, so hooks, habe nur Josephine Bakers „Doin' The Butt“ fürs MTV-Zeitalter popularisiert – und damit auch das rassistische Stereotyp, Schwarze hätten mehr „Rhythmus im Blut“. In hooks Analyse ein Mechanismus der Macht: „Obwohl ich Madonna oft bewundere und manchmal sogar beneide, weil sie einen kulturellen Raum geschaffen hat, in dem sie sich immer wieder neu erfinden und inszenieren wird, sowie öffentliche Bestätigung und materiellen Gewinn einheimsen kann, betrachte ich mich selbst nicht als Madonna-Fan.“

Wo sind schwarze Autobiographien?

hooks' Kulturkritik wurzelt in Polemik und Engagement. Sie mischt ihre sozialwissenschaftlichen und kunsttheoretischen Essays mit persönlichen Statements, sensibilisiert mit kleinen „Anekdoten“ für ihre Themen. Ihre Analysen sind immer zugleich mehr oder weniger offene Aufrufe: für mehr Bildung, für das feministische Buch über Mutterschaft, Sexualität, für eine feministische Filmkritik. Der Gestus ist (ein-)klagend: Wo sind die aktuellen Biographien über Angela Davis und Shirley Chisholm, die erste schwarze Frau im Kongreß? Wo sind „schwarze“ Autobiographien?

hooks macht sich für mehr Solidarität unter Native Americans, African Americans und Black Indians stark und führt dann nochmals aus, warum sich ein Engagement für die Gleichberechtigung der Schwarzen und für die der Frauen eigentlich in die Quere kommen muß: Schwarze Männer wittern im männlichen Sexismus Macht in einer Welt, in der sie ansonsten keine Macht haben – und arbeiten damit „automatisch“ dem notwendigen Kampf gegen verinnerlichte Frauenfeindlichkeit entgegen. Auch das entsprechend phallische Bild der schwarzen Männer in den Medien müßte verändert werden, wird aber im Gegenteil, vor allem in der Musik, in Rap und Breakdance nur fortgeschrieben. Leider wird dieser Kontext jedoch nur kurz angerissen.

„Black Looks“ ist ein Buch der Mißverständnisse – der produktiven und der weniger produktiven, ein Plädoyer in Etappen, das sich an Weiße wie an Schwarze gleichermaßen wendet – vor allem aber auch an die Töchter, Söhne und Enkel, die es besser ausfechten sollen – um in den Neunzigern wenigstens wieder auf den Stand der Sechziger zu kommen. Silvia Plahl

bell hooks: „Black Looks, Popkultur – Medien – Rassismus“. Aus dem amerikanischen Englisch von Karin Meißenburg. Orlanda Verlag, 256 Seiten, 36 DM.

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