: Mehr Panzer für Moskaus Kaukasus-Kriege?
■ Nato lehnt russische Forderung nach Änderungen des KSE-Vertrages ab
Genf (taz) – Rußland hat die erstmals im Herbst 1993 erhobene Forderung nach Änderung der Vertrages über konventionelle Waffen in Europa (KSE) bekräftigt. In den letzten Tagen besuchten Vertreter der Moskauer Regierung hierzu mehrere Nato-Hauptstädte, darunter auch Bonn. Offensichtlich mit Blick auf mögliche künftige Konflikte in der Kaukasusregion verlangt Moskau eine Heraufsetzung der in dem Abkommen festgelegten Obergrenzen für gepanzerte Infanteriefahrzeuge in den Militärbezirken Nordkaukasus und St. Petersburg von 580 auf über 2.000. Möglicherweise wird Rußland auch eine Erhöhung der für die beiden Bezirke festgelegten Obergrenzen für Kampfpanzer (700) und Artilleriegeschütze (1.280) verlangen.
Das 1990 noch zwischen den 23 Staaten von Nato und Warschauer Vertragsorganistion (WVO) vereinbarte Abkommen sieht maximale Obergrenzen für diese drei Waffenkategorien sowie für Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber vor. Gemessem am Waffenbestand im Jahr 1990 führten die KSE-Obergrenzen zu besonders hohen Reduzierungsverpflichtungen in der zentraleuropäischen Zone um die ehemalige Grenze zwischen Nato und WVO. Der Abbau muß bis zum 16. November 1995 abgeschlossen sein – allerdings ist es nicht notwendig, die Waffen zu zerstören.
Die Nato konnte die Reduzierung auf die für sie gültigen Obergrenzen fast ausschließlich durch Verlegung von Waffensystemen aus der Zentralzone erreichen. In Rahmen dieser „Kaskadenlösung“ erhielt die Türkei allein im Jahr 1993 1.709 deutsche und US-Panzer (mehr als der Gesamtbestand der britischen Armee) sowie Griechenland über 900 Panzer (mehr als die Niederlande besitzt.)
Für Moskau ergab sich mit dem Zerfall zunächst der WVO und dann der Sowjetunion jedoch eine strategisch völlig neue Lage. Erste Forderungen, die für das Gebiet Rußlands gültigen KSE-Obergrenzen an diese neue Lage „anzupassen“ lehnten die Nato-Staaten 1993 aber ab. Dabei spielte in Brüssel auch die Sorge eine entscheidende Rolle, eine Erfüllung von Moskaus Wunsch könne ähnliche Forderungen anderer osteuropäischer Staaten oder sogar der Türkei und Griechenlands nach sich ziehen.
Inzwischen ist der politische Konflikt um die 1991 ausgerufene Unabhängigkeit Tschetscheniens zum offenen Krieg eskaliert. Damit sinkt auch die Chance für eine Verständigung über eine Änderung des KSE-Vertrages. Die Sprecher des russischen Außenministeriums wie des Sicherheitsrats kündigten bereits an, daß Moskau den KSE-Vertrag notfalls „unilateral“ zu seinen Gunsten verändern werde. Dies aber würde wahrscheinlich zum Zusammenbruch der einst als wichtigster europäischer Abrüstungsvertrag gefeierten Vereinbarung führen. Andreas Zumach
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