Village Voice: Einheit ohne Peinlichkeit
■ „Smashit“: Neues von P.N.A.T.S.H.
Nahezu unberührt von überschwappenden Entwicklungen in Dancehall und Raggamuffin, verfilzen bei Paice, Nic und Hilde, dem saitentötenden Homosexuellen, immer noch die blonden Dreadlocks, als ob es noch 1981 wäre. Während auf der Höhe der Zeit die Beats immer ausgefeilter blubbern und das Toasting sich zu unvorstellbaren Geschwindigkeitsräuschen aufmacht, halten P.N.A.T.S.H., wie sich unser Trio schon lange abgekürzt nennt, auch auf ihrem – wenn ich mich nicht irre – zweiten Langspieler „Smashit“ an dem guten alten Hänger-Reggae fest, vertrauen dem höflich klopfenden Schlagzeug von Paice und den milde gestimmten Basslines von Nic. Diese drei zumindest glauben fest daran, daß keine Zeit vergangen wäre, daß es The Clash noch gibt und die noch „Police and Thieves“ spielen. Es ist, als wäre der Entwurf des englischen Punk, der sich mit den Unterdrückten auf Jamaica solidarisierte, noch aktuell. In England selbst gibt es noch immer reichlich Bands, die ihre Dreads nicht aufgezwirbelt haben, allen voran die Radical Dance Faction. Hierzulande stehen P.N.A.T.S.H. ziemlich allein da.
Dabei vollenden sie mit „Smashit“ eine entwicklungstechnische Achterbahnfahrt, die im Übungskeller begann, der ohne Rücksichtnahme fürs Publikum auf die Bühne übertragen wurde. Damals war ihr Ansatz schon derselbe, aber ihre technischen Möglichkeiten noch völlig unangemessen. Mit der Zeit kamen die Fingerfertigkeit und sogar das Gefühl für den schleppenden Off-Beat. Ihr LP- Erstling „fetish“ war denn vor allem leise dahinflimmernder Dub, ein die Rhythmik bis zum letzten auskostender Versuch, und wollte als eine Art Meisterstück verstanden werden, das zeigen sollte, daß P.N.A.T.S.H. nun endlich soweit waren, ihren eigenen Dingen auf den Grund zu gehen.
Auf „Smashit“ wird der allererste Ansatz nun endgültig ausgeführt. Allerdings wird der 77er-Entwurf mit umgekehrten Vorzeichen weitergetrieben. Waren Clash eine Punkband, die mit den Reggae- und Ska-Coverversionen Jamaica grüßte, sind P.N.A.T.S.H. eine Reggae- Band, die mit den adaptierten Einflüssen ihrer eigenen musikalischen Sozialisation ein Wiedersehen winkt.
Offensichtliches Beispiel hierfür ist das einzige Cover: „Lady in Black“, jener schreckliche Straßenfeger, den Uriah Heep selbst dreimal veröffentlichten, der jedesmal zum Hit wurde und somit ganz vorzüglich die jugendlichen Eckdaten der heute knapp 30jährigen liefert. Die schwarzbekleidete Dame beginnt bei P.N.A.T.S.H. ganz klassisch und mutiert respektvoll angemessen zum relaxten Off- Beat. Sonst aber bleiben die dominierendsten Einflüsse natürlich die Punkelemente, trotz dieser Metalgitarre in „One More Day At Boston Bay“.
So wie sich diese Aufarbeitung der eigenen musikalischen Vergangenheit durch „Smashit“ zieht, finden sich auch immer wieder die Eckpunkte Linkssein und Schwulsein in den Texten wieder. So in dem, die Platte eröffnenden und allein schon deshalb programmatischen „Jack Smith Memorial Christmas Tree“, einer zwar etwas verquasten, nichtsdestotrotz eindeutig mehrdeutigen Auseinandersetzung mit schwuler Problematik.
„She Lives With Her Dog“ spielt mit der Diskrepanz zwischen fröhlichen Bläsern/zackigem Ska-Rhythmus und dem tempotaschentuchtraurigen Text, der das Altern einer Drag- Queen beschreibt.
Ein anderes, gern benutztes Stilmittel sind nette, hübsche Sunshine-Reggaes, die textliche Widerhaken eingebaut haben. So beginnt „37° In The Shade“ an einem heißen Morgen mit Schweißperlen auf der Stirn, Vanille-Kirsch-Kuchen zum Frühstück und Sand zwischen den Zehen. Strophe zwei hat dann die einfachste Möglichkeit parat, wie man mit Nazi-Skins verfahren sollte: „And if they'd come we would beat dem / Or blow dem away with a gun“ – schönste, alte „The Harder They Come“-Romantik, die im Refrain „O natty dread move around“ gipfelt. Auch musikalisch vielleicht das schönste Stück von „Smashit“.
Und das lehrt uns dann doch mal wieder, daß Leben, Politik und Musik auch in dieser Stadt eine Einheit bilden können, ohne daß es peinlich werden muß. Thomas Winkler
P.N.A.T.S.H.: „Smashit“. NOFUG 015-0894, Rigaer Straße 13, 10247 Berlin, 707 48 79.
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