■ Die EU als Rettungsengel: Streit mit Bonn
Nikosia (taz) – Heftige Auseinandersetzungen hat das Bemühen der Republik Zypern um eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union ausgelöst. Der zyperntürkische Führer Rauf Denktasch drohte ebenso wie der türkische Außenminister, in diesem Falle könne sich der besetzte Norden noch enger an die Türkei anschließen. Was damit genau gemeint ist, ließen die Politiker offen. Schon heute wird der Haushalt Nordzyperns zu mehr als der Hälfte von der Regierung in Ankara finanziert.
Die Regierung der Republik Zypern hofft angesichts der endlosen UN-Vermittlungsbemühungen bei einer EU-Mitgliedschaft auf die Unterstützung der Gemeinschaft bei der Lösung des Zypern-Problems. Wie diese allerdings konkret aussehen könnte, bleibt unklar. Nach dem EU-Gipfel am 10. und 11. Dezember in Essen zeigte sich die Regierung über die Ergebnisse enttäuscht. In Nikosia hatte man gehofft, schon bald Assoziierungsverhandlungen aufnehmen zu können. Doch nun ist offensichtlich, daß die EU vor einer erneuten Erweiterung zunächst ihre inneren Strukturen auf einer Regierungskonferenz beraten wird. Mit einem Beitritt von Zypern und Malta ist vor dem Jahr 2000 wohl kaum zu rechnen.
Besonders verärgert war die Regierung in Nikosia über die Haltung der Bundesregierung. Außenminister Klaus Kinkel hatte Mitte Dezember seinen zypriotischen Amtskollegen Alecos Michaelidis in Bonn getroffen. Nach Presseberichten soll Kinkel dabei die zypriotische Regierung darum gebeten haben, ihren Einfluß auf Griechenland zu nutzen, um das Athener Veto gegen eine Zollunion mit der Türkei aufzuheben. Tatsächlich sieht Griechenland dieses Veto als Druckmittel, um von der Türkei Fortschritte in den Zypern-Verhandlungen zu verlangen. Der eigentliche Adressat für die Besetzung Nordzyperns seien schließlich nicht die türkischen Truppen, sondern die Regierung in Ankara. Vor einer Verbesserung der Lage auf Zypern werde man einer EU-Zollunion mit der Türkei nicht zustimmen, so die Position der Regierung in Athen, die von Zypern nachhaltig unterstützt wird. „Deutschlands Sichtweise ist inakzeptabel negativ“, so der zypriotische Präsident Glavkos Clerides nach der Rückkehr seines Außenministers aus Bonn.
Wie im Falle einer EU-Mitgliedschaft mit dem besetzen Norden verfahren werden könnte, ist einstweilen noch unklar. Dort sieht man den Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft als einen Bruch bisheriger Regelungen; in der Republik Zypern dagegen gilt dies als Rettungsanker für die Lösung der „nationalen Frage“. Tatsächlich dürfte das Interesse der EU, sich mit Zypern ein politisches Problem mehr aufzuladen, eher schwach ausgeprägt sein, zumal die wirtschaftliche Bedeutung der Mittelmeerinsel ausgesprochen gering ist. Klaus Hillenbrand
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