: Kleinkrieg im Süden Ägyptens
■ In der Stadt Mallawi starben an einem Tag elf Menschen bei Anschlägen
Kairo (taz) – „Mallawi“ – der Name der südägyptischen Kleinstadt ist schon seit Monaten ein Synonym für die Konfrontation zwischen ägyptischer Polizei und militanten Islamisten. Ägyptische Zeitungen kürten die 200 Kilometer südlich von Kairo in der Provinz Miniya gelegene Stadt zum „schlimmsten Ort 1994“.
Seit die Auseinandersetzungen dort im April letzten Jahres begannen, kamen achtzig Menschen auf beiden Seiten ums Leben. Hunderte wurden verletzt oder festgenommen. Die Stadt steht unter nächtlicher Ausgangssperre. Viele Händler trauen sich nicht mehr auf die Märkte. Zahlreiche Läden bleiben in der ehemals so geschäftigen Provinzstadt geschlossen. Die Zuckerrohrfelder in der Umgebung liegen brach, die Pflanzen wurden von den Sicherheitskräften niedergemäht. Den Militanten sollen sie oft als Unterschlupf gedient haben.
Unterdessen lebt die Bevölkerung in ständiger Angst, in die immer heftiger werdende Auseinandersetzung hineingezogen zu werden. In den letzten Wochen verging kaum ein Tag ohne eine Meldung von Attentaten und Verhaftungen in Mallawi.
Seit Beginn dieser Woche hält die Stadt einen weiteren Rekord. Am Montag wurden nach Angaben des Kairoer Innenministeriums elf Menschen, darunter acht Polizisten, in vier verschiedenen Attentaten meist auf dem Weg zur Arbeit erschossen. In einem Fall eröffneten die militanten Islamisten das Feuer auf einen Kleinbus. Die elf Toten ist die höchste Zahl von Opfern an einem Tag seit Beginn des Kleinkrieges zwischen Regierung und Islamisten vor drei Jahren.
Zu den Anschlägen bekannten sich die gamaat al-islamiya, die sogenannten Islamischen Gruppen. In einer entsprechenden Erklärung der gamaat ist gar die Rede von 15 erschossenen Polizisten. „Wir werden unsere Konfrontation mit den Herrschern fortführen“, heißt es dort. Das ägyptische Volk wird aufgefordert, an der „islamischen Revolution“ teilzunehmen.
Diese neuerlichen Attacken sind ein schwerer Schlag für die in den letzten Monaten optimistisch gewordene Polizei. Vor wenigen Tagen zog Generalmajor Mansour Al-Essawi, der oberste Polizeichef Kairos, eine positive Jahresbilanz. Der lange Arm der Sicherheitskräfte habe die Terroristenchefs erreicht und die Polizei gewinne nun Oberhand in der Konfrontation, ließ er zuversichtlich verlauten.
Tatsächlich waren der ägyptischen Polizei im Verlauf des letzten Jahres einige erfolgreiche Schläge gegen mehrere Führer der militanten Islamisten gelungen. Außerdem gingen die Anschläge im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Drittel zurück. Doch der fortlaufende Kleinkrieg in Mallawi trübt nun Essawis Bilanz. Seit den Anschlägen am Montag hat die Polizei ihre Truppen rund um die Stadt verstärkt. Eine großangelegte Polizeioperation ist derzeit noch im Gange. Die Kleinstadt am Ufer des Nils kommt nicht zur Ruhe.
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