Sanssouci: Nachschlag
■ Arbeitsalltag - der ewige Trend in Richtung des bereits Gehabten
So ein Jahr, bis es vorbei ist, macht ganz schön Arbeit. Allein die tägliche Routine. Aufstehn, Zähne putzen, duschen, Kaffee kochen, frühstücken, und dauernd muß man sich die Haare waschen. Wirklich lästig. Gott sei Dank vergeß ich's hin und wieder. Und daß einem was im Schlaf zufiele? Ich sage nur Traumarbeit! Heute Nacht zum Beispiel bin ich mit meiner Mutter und meinem Großvater (der schon lange tot ist) Auto gefahren. Ich saß hinten, etwas erstaunt und besorgt, daß meine Mutter meinen Großvater ans Steuer läßt, weil er doch schon so alt ist und womöglich gar nichts mehr sieht und hört. Aber er hat es prima gemacht und ist erst abgebogen, als alle vorfahrtsberechtigten Lastwagen vorbei waren. Ich meine, wenn das das Resultat all der Anstrengung ist, ist es denn ein Wunder, wenn man sich wundert? All die Arbeit führt zu nix. Nur zu weiterer Arbeit.
Ich hab' da schon einige Jahre Erfahrung damit. Schon mal ein Jahr erlebt, in dem man sich die Haare überhaupt nicht gewaschen hat? Oder ohne Frühstück auskam? Keine Träume hatte? Das funktioniert nicht. Denn nur gut gefrühstückt, mit sauberglänzender Mähne und hochfliegenden Träumen (immerhin bin ich nicht ständig mit meinem Opa unterwegs) läßt sich das Arbeitsleben durchstehen. Weil derzeit allerorten jede Menge Arbeit verlorengeht – was nur heißt, daß die, die nicht ausgeht, nicht bezahlt wird –, gilt es Rückblicke zu vermeiden. Trends sind auszumachen. Der erste Trend geht eindeutig zum Trendbeobachter. Ein Job mit zwangsläufiger Zukunft. Ein Mega-Trend, weiß der Trendbeobachter, ist zum Beispiel Computer-Netzwerken :-). (Sofern man sich eine monatliche Telefonrechnung > 1000 DM leisten kann :-(). Purismus ist wie immer Trend; mit dem Adjektiv „preußisch“ versehen, geht es um die Hochbaukunst, C&A ist dagegen trendgemäß das Ziel des puristischen Modekonsumenten.
Mein persönlicher Trend geht merkwürdigerweise in Richtung des bereits Gehabten. Unschwer zu erraten, tue ich schon wieder das, was ich eh das ganze Jahr über getan habe: ich sitze am Computer und schreibe. So sehen mich auch ständig meine Nachbarn, weil ich im Erdgeschoß, Seitenflügel, wohne und mein Schreibtisch am Fenster zum Hinterhof steht. Ich denke, die denken, ich sei ein völlig bescheuerter Workaholic. Wahrscheinlich denken sie aber, daß ich über jeden ihrer Schritte Bescheid weiß. Naja, ich weiß, wann sie ihre Post holen und in wie vielen Tüten sie ihren Müll wegtragen. Und wann sie mit wie vielen Tüten vom Einkaufen kommen. So geht das Jahr dahin, ich seh's schon wieder kommen! Rein trendmäßig. Brigitte Werneburg
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