Von Palästen und Wüstenstürmen

Ein Bildband zum Jemen – malerische Motive und Wissenwertes, wenig Neues aus der Neuzeit: Ein Buch, das die aktuelle Situation ausblendet, dafür der Faszination des Landes schmeichelt  ■ Von Edith Kresta

Für einen Bildband bietet sich der Jemen mit seiner faszinierenden Landschaft und für Europäer exotischen Kultur allemal an. Die alte jemenitische Kultur hat schon immer europäische Seelen beflügelt: mindestens einer der malerischen Drei Könige vor dem Kripplein muß aus dem „glücklichen Arabien“ nach Bethlehem gepilgert sein. Oder von wo sonst sollen Weihrauch und Myrrhe als Geburtstagsgeschenk herkommen? Und deutsche Forschungsreisende wie Hans Helfritz (sie kennen ihn nicht?), wagten sich schon zu Anfang des Jahrhunderts in die unwegsamen Täler des Jemens vor.

Fotogene Motive von den weltberühmten Hochhäusern aus Ziegel in Schibam, „dem Chicago der Wüste“, den grünen Berghängen, dem Sultanspalast im Hadramaut oder über die Dächer von Sana'a liefert auch der „Bildband „Jemen“ von den Fotografen Peter und Alexandra Weikenmeier. Ein Buch, das der Faszination dieses Landes schmeichelt. Den hochglänzende Farbfotografien gelingt allerdings nicht immer das Spiel mit Licht und Schatten, und auch die Tiefenschärfe scheint häufig dem schnellen Klick geopfert zu sein. In Kombination mit den Texten von Peter Wald, Vorstandsmitglied der deutsch-jemenitischen Gesellschaft, liefert das Buch allerdings einen landeskundigen und informativen Über- und Einblick zu Geschichte und Kultur des Jemen. Ein gutes Stück für jeden Bildungsreisenden.

Die jüngere Geschichte des Jemens wird allerdings nur am Rande erwähnt. Obwohl diese heute die Reisemotivation stärker beeinflußt als das einzigartige Material und die Methoden des jemenitischen Bauens.

Auch für eine Reise bietet sich der Jemen nach Ende des Bürgerkriegs wieder an. Denn auch hier ist der Tourismus zur Förderung der darniederliegenden Wirtschaft vorgesehen. Doch die Touristen kommen nur zögernd in die erst vor kurzem gewaltsam befriedete und wiedervereinte Region. 1990 endete wie in Deutschland auch im Jemen die Teilung: Das Versickern jeglicher Wirtschaftshilfe aus Osteuropa ließ den sozialistischen Südjemen eine Perspektive in der Einheit mit dem konservativen Nordjemen suchen. Nordjemens Präsident Ali Abdallah Saleh brauchte dringend politische Erfolge und sah die Chance in einem Aufschwung, den er sich durch die im Süden entdeckten Ölreserven erhoffte. Freie, demokratische Wahlen zur Nationalversammlung in Sana'a im April 93 sollten die politischen Machtverhältnisse klären. Bei diesen rückte die Jemenitische Sozialistische Partei an dritte Stelle. Kein Wunder: Während im konservativ regierten Norden rund 14 Millionen Jemeniten leben, sind es im Süden gerade 2,5 Millionen. Die Sozialisten unter ihrem Chef Ali Salem al-Beidh schafften es nicht, im Norden ausreichende politische Unterstützung zu erhalten. Die Machtelite des Südens fühlte sich in die Defensive gedrängt, von nordjemenitischen „Besserwessis“ regiert. Auch die strenge Kontrolle der Öleinnahmen durch den Präsidenten Saleh galt als einer der Auslöser des Konfliktes. Der Bürgerkrieg zwischen den Machteliten des Südens und des Nordens schien vorprogrammiert. Am 20. Mai 1994 proklamierten die südjemenitischen Machthaber erneut die Eigenstaatlichkeit. Vom Mai bis Juli 1994 führten Nord- und Südjemen Krieg, den der Norden mit zahlreichen Todesopfern, besonders in der südjemenitischen Hauptstadt Aden, gewann. Der Jemen wurde zum zweitenmal, diesmal mit Gewalt, vereinigt. Seit Anfang Oktober ist die neue Nachkriegsregierung des Jemens im Amt. Ihr gehören nur noch der allgemeine Volkskongreß des konservativen Präsidenten Saleh und die ehemalige oppositionelle islamistische Islah-Partei an. Ali Abdallah Saleh hatte sein Kriegsziel erreicht: ohne die lästigen Sozialisten den gesamten Jemen zu regieren. Bisher klappt die jemenitische Versöhnung nur stockend. Steigende Preise und Inflation tragen nicht sonderlich zum Vertrauen in die neue politische Perspekive bei. Westliche Medien befürchten im Jemen das Anwachsen des islamistischen Fundamentalismus.

Schlechtes Terrain für die gewünschte Öffnung zum internationalen Tourismus. Aber selbst wenn das Auswärtige Amt noch von Individualreisen in den Jemen abrät, so weiß doch der Bildungsreisende mit touristisch-geklärtem Blick: „Tempel und Paläste einer glanzvollen Zeit haben Wüstenstürme und Kriege überdauert.“ (Jemenforscher und Reiseschriftsteller Hans Helfritz, 1935).

Peter und Alexandra Weikenmeier: „Jemen- Landschaft Menschen Kulturgeschichte“, Belser Verlag, Stuttgart 1994, 68 DM