■ Das Portrait: Carlos Salinas
Angeschlagen Foto: rtr
Wenn ein Ex-Präsident Direktor einer internationalen Organisation werden will, dann weiß er normalerweise sein Land hinter sich. Nicht so Mexikos präsidentialer Ruheständler Carlos Salinas de Gortari: Der tourt seit Dezember durch die Welt, um Stimmen für seine Kandidatur zum Vorsitz der Welthandelsorganisation (WTO) zu sammeln, der Nachfolgeorganisation des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt). Und die mexikanische Opposition in Gestalt der linken PRD wird nicht müde, ihrem einstigen Hauptfeind Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Sie stellte Strafanzeige gegen Salinas wegen „schwerer Schädigung des Staates“.
Der „große Modernisierer Mexikos“ – in Wahrheit der große Betrüger? Nur um seine persönliche Bilanz nicht zu gefährden, so der Vorwurf, habe Salinas die Abwertung des Peso ein ums andere Mal hinausgezögert. Und das, obwohl nach der Chiapas-Krise und politischen Attentaten das Vertrauen der Investoren in die mexikanische Stabilität so tief erschüttert war, daß immer mehr Devisenreserven aufgewandt werden mußten, um den Peso stabil zu halten. Kurz nach Salinas' Abgang brach das Kartenhaus zusammen.
Als Salinas, damals 40jährig, 1988 sein Amt als Präsident Mexikos antrat, verführte sein Äußeres die Karikaturisten zu ungewohnter Respektlosigkeit: Als „Dumbo“ zeichneten sie den Präsidenten ob seiner recht groß geratenen Ohren. Doch die wirtschaftlichen Erfolge ließen die höhnischen Lacher bald verstummen: Schon in seiner Halbzeitbilanz 1991 konnte er darauf verweisen, die Auslandsschulden drastisch reduziert, die Wirtschaft wiederangekurbelt und die Inflation deutlich gesenkt zu haben. Als Mexiko im vergangenen Jahr zunächst in die Nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) und dann auch noch in die OECD aufgenommen wurde, den internationalen Club der Industrieländer, schien der Traum des Harvard-Ökonomen in Erfüllung zu gehen: der Eintritt in die Erste Welt.
Schon der Aufstand der zapatistischen Guerilla im südlichen Chiapas kratzte am Image. Mit der jüngsten Finanzkrise sind nun neben den sozialen auch die ökonomischen Erfolge Salinas' in Frage gestellt. Seine Gegenkandidaten für den WTO- Vorsitz, der frühere italienische Außenhandelsminister Renato Ruggiero und sein ehemaliger Amtskollege aus Südkorea, Kim Chul Su, werden's mit Freude vernehmen. Bernd Pickert
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