Wer will was im Kaukasus-Krieg?

Statt dem Treffen der Kaukasus-Konföderation fand in Dagestan eine Demonstration statt / Keine offizielle Anwerbung von Freiwilligen für Krieg in Tschetschenien  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Am Wochenende wollten sich die Vertreter der „Konföderation der Kaukasusvölker“ in Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, treffen, um ihr weiteres Vorgehen zum Krieg in Tschetschenien abzustimmen. Der Kongreß fand nicht statt, Begründungen waren nicht erhältlich. Es scheint jedoch, Moskaus Sicherheitsbehörden haben die Veranstaltung gezielt verhindert.

Die Konföderation wurde 1991 von 16 kaukasischen Völkern gegründet. Wenige Monate später erklärte Rußland sie für verfassungswidrig. Im Vorfeld des Kongresses äußerte sich ihr Vorsitzender Jurij Schanibow wenig zuversichtlich. Persönlich trete er für eine friedliche politische Lösung mit Rußland ein. Die Bereitschaft der Mehrheit der Mitglieder, auf kriegerische Maßnahmen zu verzichten, schätze er aber sehr gering ein.

Die Konföderation nimmt offiziell nicht an der Aushebung von Freischärlern teil. Nach Schanibow sind zwischen 3.000 und 5.000 Kaukasier in Tschetschenien mit an der Front. Die Anwerbung laufe außerhalb der Strukturen der Konföderation. Dennoch sei sie im Gang „vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer“. Eigens geschaffene konspirative Organe befassen sich damit in Abchasien, Adygien, Dagestan, Ossetien, Inguschetien und Karbadino-Balkarien. Die Freischärler sollen nicht an den Kämpfen in Grosny teilnehmen, sie werden gleich in die kaukasische Bergwelt entsandt. Für das Frühjahr kündigte Schanibow den Beginn des Partisanenkrieges an, mußte aber im gleichen Atemzug eingestehen, daß die Mehrheit der Völker derzeit noch einem Verbleib in der Russischen Föderation den Vorzug gebe.

Die Bereitschaft sich in einen neuen blutigen kaukasischen Krieg mit Rußland einzulassen, scheint tatsächlich eher gering. Zumal die einzelnen kleinen und winzigen Völkerschaften der zerklüfteten Bergregionen auch untereinander nicht immer in freundschaftlichem Ton verkehren. Traditionell gewachsene Gegensätze und Antipathien konnten auch die Zeit der russischen Kolonisation überdauern. Ein russischer Vernichtungsfeldzug gegen den Kaukasus dürfte allerdings die letzten Vorbehalte beseitigen.

Als großzügigster Förderer und Betreiber der „Konföderation“ hatte sich ursprünglich der tschetschenische Präsident Dschochar Dudajew hervorgetan. Er forderte die Freiwilligen zum „Heilgen Krieg“ gegen Rußland auf. Während des bewaffneten Konfliktes zwischen dem moslemischen Abchasien und dem christlichen Georgien waren es die Freiwilligen der Konföderation, die den Abchasen zur Hilfe eilten. Die Bündnislage entfaltet sich äußerst komplex, die verschiedensten Interessen betrieben damals ihre Sache in Abchasien. Kräfte der russischen Ultranationalisten und Sozialisten unterstützen die Abchasen in ihrem Unabhängigkeitswillen von Georgien neben Freiwilligen der Konföderation, die ihrerseits ein eigenes nordkaukasisches Staatswesen aus der Taufe heben wollen.

Leise meldete sich Widerstand gegen Moskau auch aus dem armen Dagestan. Die dortige Führung forderte Moskau zu Verhandlungen mit Grosny auf. Dudajew hatte den Wunsch nach dagestanischer Vermittlung geäußert. Eiinige tausend Bürger demonstrierten am Wochenende in Machatschkala gegen das Blutvergießen. An der gemeinsamen Grenze sammeln sich immer mehr Flüchtlinge aus dem Nachbarland.

Kritiklos zum Moskauer Vorgehen verhält sich allein die Republik Nordossetien, wo die Russifizierung am weitesten gediehen ist. Ein Großteil der Osseten sind christlichen Glaubens. Im Streit um die Region „Prigornij“ mit den Inguschen, die 1944 zwangsdeportiert worden waren, bauen die Osseten auf die friedensstiftende Wirkung russischer Bajonette.