■ Jürgen Kuttner: Der Sprechfunker
Neben dem Frühstücksdirektor Lutz Bertram gilt Jürgen Kuttner, Jahrgang 1958, als zweiter „Kultmoderator“ (Wochenpost) des Ostdeutschen Rundfunks (ORB) in Potsdam. Der promovierte Kulturwissenschaftler und frühere taz-Mitarbeiter Kuttner ließ sich am Sonntag von Intendant Hansjürgen Rosenbauer von seinen wöchentlichen Sendungen beurlauben und informierte die Öffentlichkeit. Nach Überprüfung seiner Gauck-Akte und entsprechender Empfehlung des ORB-„Vorprüfungsausschusses“ entscheidet der Intendant über die Weiterbeschäftigung. Rosenbauer war von Kuttner bereits vor sechs Wochen informiert worden.
Kuttner, SED-Mitglied bis 1989, hat nach eigenen Angaben im Zeitraum von 1977 bis 1983, während seiner Zeit bei der Nationalen Volksarmee und danach, als „Kontaktperson“ konspirative Gespräche mit Stasi-Mitarbeitern geführt. Seitdem habe es keine Gespräche mehr gegeben.
Von 1987 bis 1989 arbeitete Kuttner als stellvertretender Abteilungsleiter im Verband bildender Künstler. In den Jahren 1990 und 1991 war er Verlagsmanager und Gelegenheitsautor bei der Ost-taz, dem DDR-Ableger der taz. Zum ersten Bruch mit den West-Mitarbeitern kam es Juni 1990, als die taz gegen den Willen der Ostler eine Liste aller Stasi-Wohnungen veröffentlichte. Die Ostler hatten für eine Schwärzung der Hausnummern plädiert. Nach der Währungsunion wurde die Ost-taz eingestellt und deren Mitarbeiter in die West-Redaktion integriert. Das empfanden viele Ost-Mitarbeiter als unbefriedigend. Kuttner: „Eine DDR-Beilage war zuwenig.“ Als der West-Ost-Streit und andere politische Differenzen schließlich auch noch zur Kündigung der Berlin-Kulturredaktion führten, verließ Kuttner die taz.
Kuttners ebenso kitschige wie politische Plapper-Sendungen, das Talk-Radio „Sprechfunk“ auf der Jugendwelle Fritz und die entsprechende TV-Version „Null Uhr Kuttner“ im dritten Fernsehprogramm, sind eine von der Kritik durchgängig gelobte, genialische Mischung: Der Radio-Briefkastenonkel assoziiert frei nuschelnd vor sich hin, nimmt die HörerInnen soweit es geht ernst und schneidet urkomisches Archivmaterial des DDR-Radios und -Fernsehens dazwischen. kotte
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