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Östliche Lehre auf Staatskosten

■ Jeder zweite Lehrling im Osten wird auf Kosten der Länder und des Bundes ausgebildet / Vor allem junge Frauen finden nur schwer eine betriebliche Lehrstelle

Berlin – Eine Lehre im Osten scheint immer mehr zur staatlichen Angelegenheit zu werden. Von den 117.000 Jugendlichen, die in den vergangenen vier Monaten eine Ausbildung begonnen haben, lernen 25.000 in einer sogenannten überbetrieblichen Ausbildungsstätte. Fast jeder fünfte hat also keinen Ausbildungsvertrag bei einem privaten Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung gefunden. Damit kommen die klassischen Arbeitgeber fünf Jahre nach der Wende ihren Ausbildungsverpflichtungen noch immer nicht in ausreichendem Maße nach.

Das duale System der Berufsausbildung, die Basis für eine freie Berufswahl, gilt gegenwärtig nur in sehr eingeschränktem Maße in Ostdeutschland. Hinzu kommt, daß jeder zweite Ausbildungsplatz in Ostdeutschland am finanziellen Tropf der Länder und des Bundes hängt. Dies erklärte gestern Lazlo Alex vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Der Bildungsforscher rechnet mit gut 35.000 betrieblichen Stellen, für die der Staat im laufenden Ausbildungsjahr zwischen 400 und 500 Millionen Mark an „Lehrlingsprämien“ zahlen wird.

In einem noch unveröffentlichten Bericht beklagen die Berufsforscher des BIBB, die „Subventionsmentalität“ östlicher Betriebe. Mehr als zwei Drittel ließen sich ihr Ausbildungsengagement vom Staat finanziell absichern. Junge Frauen haben es besonder schwer, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden. Dementsprechend sind zwei Drittel der Lehrlinge in den überbetrieblichen Einrichtungen weiblich. Nach Beendigung der Ausbildung sehen sie sich mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, eine Anstellung zu finden. In Mecklenburg-Vorpommern gehen etwa 30 Prozent von der Ausbildung direkt zum Arbeitslosengeld über.

Lazlo Alex vom BIBB hält die Situation für angespannt, aber handhabbar. Er vergleicht die Situation heute mit der Mitte der 70iger Jahre, als in Westdeutschland zehn Prozent eines Ausbildungsjahrganges keinen Ausbildungsvertrag in der Tasche hatten. Damals habe man mit dem überbetrieblichen System Fehlentwicklungen in der Ausbildungsstruktur abfedern können. Alex räumt aber ein, daß die damalige Lage nicht in vollem Umfang mit der heutigen Situation im Osten vergleichbar sei. „Schließlich gab es in der DDR überhaupt keine privaten Arbeitgeber, die als Grundlage des dualen Systems heute dienen könnten.“ Trotz aller Unzulänglichkeiten gebe es keine Alternative zu der staatlich gestützen Lehre. In diesem Monat noch hat die Bundesregierung die jährliche Lehrstellen-bilanz vorzulegen. Annette Rogalla

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