: Von Kühen und Menschen Von Andrea Böhm
Catron County ist ein Landkreis im Bundesstaat New Mexico, in dem der Westen noch wild und die Welt noch in Ordnung ist. In Catron County kommen auf einen Einwohner acht Rinder. Letztere sind ersteren heilig, denn in Catron County haben die Rancher das Sagen. Wenn das irgend jemand in Zweifel zieht, dann gibt's wie in den angeblich guten alten Zeiten eins auf die Fresse. Oder einen Warnschuß durch die Fensterscheibe.
Die verehrte Leserschaft mag sich erinnern: Catron County wurde in dieser allwöchentlichen Kolumne über Land und sonderbare Leute schon einmal vorgestellt – als der Landkreis in den USA, der seinen Einwohnern per Verwaltungsanordnung das Anschaffen einer Schußwaffe verordnet hat. Selbstverständlich nur zum Zweck der Selbstverteidigung. Man weiß ja nie, was kommt. Viehdiebe, Indianer, Umweltschützer oder die Bundesregierung.
Die beiden letzteren machen den Leuten in Catron County wie in anderen westlichen Bundesstaaten derzeit am meisten zu schaffen. Denn die heiligen Rinder weiden dort seit Jahrzehnten auf bundeseigenem Land, das von den Rangern des „National Forest Service“ verwaltet wird. Die Rancher hat das an Gebühren bislang nicht viel mehr gekostet als den Kuhdreck unter ihren Cowboystiefeln. Das hat bislang zwar die Viecher und die Rancher fett gemacht, aber das Land und die Flüsse ruiniert.
Umweltschützer, die man in Catron County gerne „Eco-Nazis“ nennt, haben nun in den letzten Jahren die Frechheit besessen, auf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen. Die Clinton-Administration wiederum besaß die Frechheit, eine Reduzierung der Herden vorzuschlagen, die Weidegebühren zu erhöhen und an einigen Flüssen, die kurz vor dem Umkippen stehen, das Grasen ganz zu verbieten. Worauf die Gemeindeverwaltung in Catron County besagten Erlaß zum Kauf von Schußwaffen herausgab und der örtliche Sheriff androhte, den Oberranger des „Forest Service“ zu verhaften. Laut Bericht des Wall Street Journal steht zudem im Gemeinderat ein Erlaß zur Abstimmung, wonach sich Öko-Aktivisten in Catron County registrieren lassen müssen. Wer in Zukunft ohne Lizenz rinderfeindliche Flugblätter verteilt oder an der Straßenecke Einklang mit Mutter Natur predigt, kann verhaftet werden.
Nun wird diese lokale Renitenz vor keinem Gericht Bestand haben, doch bis in diesen Fällen höhere Instanzen Urteile fällen, wird noch eine ganze Menge Gras abgefressen und eine ganze Menge Flußwasser getrübt.
Außerdem zeigen sich die Bewohner von Catron County bislang wenig geneigt, Gerichtsurteile oder Anweisungen der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen. Sollten die Bundesranger sich anschicken, auch nur ein Rind von der Weide zu holen, hat man ihnen „mindestens hundert bewaffnete Männer“ als Empfangskomitee in Aussicht gestellt. Ein Blick zurück in die guten alten Zeiten zeigt, daß es die Rancher in dieser Ecke des Landes mit ihren Drohungen immer schon ernst meinten: Ende des letzten Jahrhunderts wollte die Bundesregierung schon einmal Umweltschutzpolitik betreiben und einen Teil des Landes zu Schutzgebieten erklären. Daraufhin gingen ein paar tausend Hektar des schutzwürdigen Waldes in Flammen auf.
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