IM „Romeo“ und „Julio“ suchen Aufklärung

■ Nachfrage beim Führungsoffizier: Wem hat ORB-Moderator Lutz Bertram geschadet?

Berlin (taz) – Wem hat Lutz Bertram, einer der mittlerweile zwei Starmoderatoren des ORB, die eine Stasi-Tätigkeit zugegeben haben, konkret geschadet? Eine ungewöhnliche Initiative bemüht sich jetzt um Aufklärung bei der Gauck-Behörde. Der Berliner Verleger Christoph Links, in dessen Verlag ein Buch mit Bertrams Interviews erschienen ist („Huhu, liebes Radiovolk“), hat den Antrag gestellt, die Opferakten von Personen zu durchforsten, über die Bertram als IM „Romeo“ und sein Führungsoffizier geredet haben.

Bertram selbst meint, er könne sich nicht wirklich erinnern, hat seinem Verleger aber vier Namen genannt, darunter Tamara Danz, die „Rockkönigin“ der DDR. Er selber könne nicht ermessen, wem er geschadet habe.

Und noch einer will jetzt behilflich sein: „Romeos“ ehemaliger Führungsoffizier, nennen wir ihn „Julio“. Bei der Aufklärung will er mithelfen und hat dem Verleger Links auch schon Hinweise gegeben. Eigentlich hat ihn Bertram gebeten, „den Mund zu halten“. Doch von der taz gefragt, ob er sich nicht besser an die Gespräche erinnere als Bertram selbst, will er doch ein paar Worte loswerden. Er ist, anders als sein IM, „der Auffassung, daß nichts Schwerwiegendes dabei war, was irgend jemand geschadet haben könnte. Und das kann sich Lutz nicht vorstellen.“

Sonst sei alles so gewesen, wie der es in der Sendung schilderte: Man habe allgemein über die Situation und über Marxismus-Leninismus geredet. Alle vier bis sechs Wochen, aber manchmal auch mehrmals die Woche. Zwei Gorbatschow-Sympathisanten? Ja. Bertrams persönliches Umfeld, also die Rockszene und der Jugendsender DT 64, habe ihn, weil zuständig nur für Grenzsicherung, gar nicht interessiert. Aber er „weiß nicht, welche meiner Berichte an andere Diensteinheiten gegangen sind“.

In seiner letzten Radiosendung am Montag hat Bertram erwähnt, daß er mit „Julio“ noch einmal nach dem TV-Interview vom Samstag telefoniert habe. Der Ex- Führungsoffizier – sie kennen sich seit 1982 – habe ihn darauf hingewiesen, daß die Stasi ihn nicht nur wegen seiner „Achillesferse“, der Blindheit, herumgekriegt habe, sondern auch wegen seines Egos, seiner Eitelkeit. Ja, das hat „Julio“ so gesagt. Er fand die Darstellung von Bertram, er habe es nur getan, um Ärzte im Westen aufsuchen zu können, „zu einseitig“.

Derweil bleibt das künftige Verhältnis zwischen Bertram und dem ORB weiter ungeklärt. Intendant Hansjürgen Rosenbauer ist stocksauer darüber, daß der Moderator trotz des großzügigen Angebots an Bertram, den Termin seines Outings selbst zu bestimmen, nun die geschlossene „einvernehmliche Regelung“ bestreitet. Kurz vor der TV-Sendung am Samstag abend war Bertrams Anwalt Johannes Eisenberg aufgekreuzt (der in anderen Dingen auch die taz vertritt) und hatte ihm Hoffnungen gemacht, so eine höhere Abfindung herauszuschlagen. „Dabei ist“, sagte Chefredakteur Christoph Singelnstein zur taz, „der ORB in früheren Fällen da ohnehin nicht kleinlich gewesen.“ Und Intendant Rosenbauer setzt nach: Von den Verhandlungen mit Eisenberg „machen wir es abhängig, ob wir Lutz Bertram eine Beschäftigung außerhalb des politischen Journalismus anbieten können“. Michael Rediske