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Ein Jahr nach der Abwertung des CFA-Franc in West- und Zentralafrika stehen zwei Länder der Region vor Wahlen. Welche wirtschaftlichen Folgen hatte die drastische Währungsreform, welche politischen Folgen zeichnen sich ab? Von Dominic Johnson

Vom Durchlavieren als Regierungskunst

Die Bürger des Sahel-Staates Niger feiern heute einen ganz besonderen Jahrestag. Am 12. Januar 1994 werteten die in Senegal versammelten west- und zentralafrikanischen Staatschefs die gemeinsame Währung ihrer 15 Staaten, den CFA-Franc, gegenüber dem französischen Franc um die Hälfte ab. Heute treten die Bewohner Nigers an die Wahlurnen – und geben damit ein Votum über die Folgen dieser Abwertung ab, die seitens der internationalen Geldgeber als Bedingung für weitere wirtschaftliche Unterstützung gestellt worden war.

Die Abwertung halbierte auf einen Schlag die Kaufkraft der Afrikaner: Statt 50 CFA-Francs, wie seit 1948 der Fall, müssen seit dem 12. Januar 1994 für einen französischen Franc 100 hingeblättert werden. Damit verdoppelten sich automatisch die Einfuhrpreise, während Exporte um die Hälfte billiger wurden – das sollte die afrikanische Konkurrenzfähigkeit stärken.

Doch in Ländern wie Niger, die einen großen Teil ihrer Bedarfsgüter importieren und deren eigene Produktion ebenfalls von importierten Rohstoffen abhängt, hieß das auch: Fast alle Ladenpreise verdoppelten sich über Nacht. Daß die Regierung Nigers im April die Gehälter um fünf bis zwölf Prozent heraufsetzte, glich natürlich diesen Kaufkraftverlust nicht aus. Im Sommer streikte der öffentliche Dienst zwei Monate lang für mehr Geld. Die Folge: Die parlamentarische Opposition, die die Anhänger der 1993 beendeten Militärdiktatur einschloß, schaffte es, die Regierung zu kippen. Premierminister Mahmadou Issoufou trat am 28. September zurück, seither wird kommissarisch regiert und die heutigen Wahlen könnten eine Rückkehr der dem Militär zugeneigten Kräfte an die Macht bewirken.

Die nackten Zahlen erklären die Lage: 1994 betrugen Nigers Staatseinnahmen 70 Milliarden CFA-Francs (200 Millionen DM). Schon die Zahlung der laufenden Gehälter kostet nach Angaben Issoufous 49 Milliarden, die von den Angestellten gewünschte Nachzahlung der vier ausstehenden Monatsgehälter des Jahres 1993 noch einmal 14 – macht 63 Milliarden CFA-Francs, also fast die ganzen Staatseinnahmen. Die Geldgeber verlangen aber – entwicklungspolitisch vernünftig – mehr Investitionen im Gesundheits- und Bildungsbereich und daher eine Begrenzung der Gehaltsausgaben auf 44 Milliarden CFA-Francs.

Was soll da die Regierung tun? Die Gewerkschaften zufriedenstellen oder die Geldgeber? Oder – und anders geht es in der Praxis nicht – beide hinhalten und auf bessere Zeiten hoffen? Eigentlich dürfte sich Niger nämlich glücklich schätzen: Die Hälfte der staatlichen Auslandsschulden wurde 1994 annulliert, der lokal produzierte Reis ist zum ersten Mal seit langer Zeit billiger als der Importreis, die staatliche Textilgesellschaft boomt – alles erwartete und eingetretene positive Wirkungen der Abwertung. Aber die gesellschaftlichen Unsicherheiten sind immer noch groß.

Denn in Afrika handelt Politik vorrangig von der Verteilung knapper Ressourcen. Daß in Niger Soldaten Hilfsgüter für notleidende Dürreflüchtlinge beschlagnahmten, war 1990 der Auslöser für die bewaffnete Revolte der Tuareg-Minderheit, die mehr Autonomie für ihre Siedlungsgebiete in der Sahara-Wüste fordert. Fünf Jahre und viele hundert Tote später wird Niger sich nun tatsächlich regionalisieren – wenn die Regierung die Wahlen gewinnt: Keineswegs ist sicher, ob das im September unterzeichnete Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen auch bei einem Machtwechsel hält. Und bei der Regionalisierung wird es um die Frage gehen: Wer entscheidet, welche Staatsgelder wofür ausgegeben werden? Die Zentralregierung mit dem zentral gewählten Parlament oder die einzelnen Regionen?

Die Frage der Verfügungsgewalt über Geld ist seit der Abwertung in allen betroffenen Staaten zum beherrschenden politischen Thema geworden. In Benin, als westafrikanische „Musterdemokratie“ mit kräftigen Wachstumsraten ein Lieblingskind der Geldgeber, lehnte das Parlament im Juli den von Staatspräsident Nicephore Soglo vorgelegten Haushalt ab und verabschiedete einen eigenen. Soglo wollte daraufhin per Dekret regieren, was ihm aber das Verfassungsgericht verbot. Der Streit entzündete sich unter anderem daran, daß der Präsident dem Zentralkrankenhaus seines Landes für 1 Milliarde CFA-Francs (3 Millionen Mark) einen Scanner kaufen wollte – die Gesundheitsbehörden aber vom Staat lieber die Zahlung unbezahlter Rechnungen in der fünffachen Höhe des Scanner-Preises gesehen hätten. In Benin stehen am 5. Februar Parlamentswahlen an, und ähnlich wie in Niger könnten sie politische Erschütterungen bewirken.

Eigentlich sollte die Abwertung in Afrika durch die Ankurbelung einheimischer Produktion eine Wirtschaftserholung in Gang setzen. In einzelnen Bereichen trifft das zu. Selbst Binnenländer wie Tschad oder Burkina Faso exportieren mehr; einheimische Textilien, Seifen, Trinkwasser und ähnliche „leichte“ Konsumgüter erleben überall einen Aufschwung. Das Ergebnis ist: Zu den von Pessimisten prophezeiten Hungerrevolten kam es nicht. Aber auch das von der Weltbank gewünschte „makro-ökonomische Gleichgewicht“ läßt auf sich warten. Vielmehr sind überall komplizierte Kettenreaktionen in Gang gekommen: Die Preise steigen, der Staat gleicht mit Subventionen und Gehaltserhöhungen aus. Der Staat exportiert mehr Landwirtschaftsgüter und kann den Bauern daher bessere Preise bezahlen, doch importierte Saatgüter und Maschinen sind jetzt doppelt so teuer. Die höheren Exporte steigern die Zolleinnahmen, aber die Gehaltsforderungen im öffentlichen Dienst wollen ja erfüllt werden. Weltbank und IWF zahlen Ausgleichsgelder, bestimmen aber auch, wofür die ausgegeben werden dürfen. All dies erfordert mehr Regierungskunst, aber die Geldgeber wollen gleichzeitig weniger Staat.

„Die Abwertung gibt uns eine Gelegenheit, unsere schöpferischen Talente unter Beweis zu stellen“, umschreibt der Direktor der staatlichen Ölgesellschaft der Zentralafrikanischen Republik, Simon Kouloumba, die Problematik. Das im Herzen Afrikas gelegene Binnenland ist zusammen mit Kamerun, Kongo und Tschad eines von vier der 15 Länder, die zur Zeit mal wieder gegenüber dem IWF zahlungsunfähig sind, und steht nun vor der schwierigen Aufgabe, die durch jahrzehntelange Willkürherrschaft mißtrauisch gewordenenen Bauern dazu zu bewegen, für den Weltmarkt zu produzieren. „Ich konstatiere eine Abwartehaltung“, beschreibt Premierminister Jean-Luc Mandaba die Stimmung. „Manche Investoren haben ihre Aktivitäten sogar eingefroren, was sich sehr auf die Zoll- und Steuereinnahmen des Staates ausgewirkt hat. Das ist ein Grund, warum die Regierung die Anforderungen des IWF nicht erfüllen konnte.“

Den meisten Regierungen bleibt keine Wahl, als sich durchzulavieren. Verlierer der Abwertung sind die zentralafrikanischen Länder, die ökonomisch schwächer und politisch instabiler sind. Die vier Problemfälle Kamerun, Kongo, Tschad und Zentralafrikanische Republik werden vermutlich jetzt noch stärker an die Kandare genommen. Einen Vorgeschmack bietet Kamerun, dessen Wirtschaft unter Präsident Paul Biya seit Jahren um über fünf Prozent jährlich schrumpft. Die Weltbank gewährte im September einen 75-Millionen-Dollar-Kredit, der zum Großteil nie in Kamerun ankam, sondern sofort in einem Weltbank-Konto zur Rückzahlung kamerunischer Schulden landete. Und nicht nur in diesen Ländern, sondern auch in westafrikanischen Staaten wie Senegal drängt die Weltbank auf Regierungen der Nationalen Einheit, um Geldstreitereien zu minimieren.

Kurios ist in diesem Zusammenhang, daß es in West- und Zentralafrika an Geld eigentlich nicht mangelt. 1993 waren, in Erwartung der Abwertung, Milliarden aus Afrika ins Ausland geflossen, deren CFA-Wert sich dann über Nacht verdoppelte. Die Fluchtgelder kehren jetzt zurück. So liegen in den beiden Zentralbanken der CFA-Zone Geldscheine im Wert von 900 Milliarden CFA-Francs (3 Milliarden DM) herum – und die Banken investieren sie nicht, weil sie bei den extrem gestiegenen Zinsen keine Kreditnehmer finden. Mit dem Geld könnte die Regierung von Niger zwanzig Jahre lang alle ihre Staatsangestellten bezahlen.

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