■ Gerhard Schröders Programm für eine neue Energiepolitik
: Mit Konsens an die Regierungsmacht

Der Mann verliert keine Wahl. Er ignoriert die Niederlagen einfach, die er übrigens ziemlich häufig einstecken muß. Als Gerhard Schröder kurz davor stand, mit dem christdemokratischen Umweltminister Töpfer, Gewerkschaften und den führenden Managern der Stromwirtschaft einen Kompromiß über die weitere Nutzung der Atomenergie in Deutschland zu schließen, verbot ihm sein eigener Parteivorstand den letzten Schritt. Die Einigung kam nicht zustande. Nie hat Schröder darüber lamentiert. Dann wählten die Mitglieder der SPD nicht ihn, sondern Rudolf Scharping zum Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten. Schröder war's recht. Scharping verlor die Bundestagswahl, Schröder kehrte in sein Ministerpräsidentenbüro von Niedersachsen zurück.

Die Methode stammt von Helmut Kohl. Der Kanzler sitzt alle aus. Das hat sich Schröder gemerkt und seine eigene Lehre daraus gezogen. Er läßt regieren – im Bundesrat, in den Bonner Ministerien, in der SPD- Baracke und auch in Bundesländern, in denen parteiinterne Rivalen amtieren. Denn Schröder hat auch von Kohls Schwächen gelernt. Er schwafelt nicht daher wie der gefühlige Dauerkanzler. Schröder behandelt ein Thema auf Expertenniveau solange bis er gewonnen hat – Abstimmungen hin oder her. Nur sollte sich niemand täuschen lassen: Gerhard Schröder gewinnt, nicht das Thema.

Zur Zeit ist das noch die Energiepolitik. Für die Subvention der deutschen Kohlebergwerke muß eine neue Lösung gefunden werden – Schröder hat sie. Sie ist nicht besonders originell: Eine allgemeine Energiesteuer soll die SPD-Traditionsarbeitsplätze finanzieren, und ein zusätzliches Hilfsprogramm die Investitionen in alternative Energietechniken verbilligen, die von der Industrie ohnehin geplant sind.

So einfach ist das. Das Programm könnte die christdemokratische Regierung geschrieben haben. Es stammt aber vom Sozialdemokraten Schröder. Nur darauf kommt es ihm an. Lafontaine und Rau nicken brav, Scharping setzt sich auf die Vorderkante seines Stuhls und lernt den Text auswendig. Schröder hat schon die ersten Termine für die Verhandlungen anberaumt. Daran wird sich die Bundesregierung beteiligen. Es bleibt ihr gar nichts anderes übrig. Und diesmal wird es sich die SPD nicht mehr leisten können, ihren besten Machtstrategen zu stoppen. Schröder wird sein eigenes Gesetz zur Einführung der Energiesteuer selbst unterschreiben. Er läßt nicht nur regieren, er läßt auch die anderen über große oder kleine Koalitionen von Parteien streiten. Er setzt seinen Konsens durch. Das ist sein Machtmittel. Danach können ihn Wahlberechtigte aller Art wieder in die Minderheit versetzen. Nur: warum sollten sie das tun? Er hat doch gerade gewonnen. Niklaus Hablützel