: Schützt die Nichtraucher!
■ Diskussion bei Bündnisgrünen über Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz / Sozialsenatorin setzt auf Überzeugung
Wer kennt das nicht: Ob bei der Meldebehörde oder auf dem Sozialamt, in den Wartesälen der Behörden wird gequalmt, bis die Luft zum Schneiden dick ist. Für Nichtraucher gibt es kein Entrinnen. Noch zögern Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) und Gesundheitssenator Peter Luther (CDU), mit einem Nichtraucherschutzgesetz gegen den blauen Dunst anzugehen.
In der Senatsverwaltung für Soziales gibt es zwar seit Mai 1989 eine Dienstanweisung, wonach Nichtraucher Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz haben und die Raucher in die Raucherecke geschickt werden. Statt einem gesetzlichen Rauchverbot für öffentliche Gebäude setzt Stahmer aber auf die „Rücksichtnahme der Raucher“. Kein Zwang, sondern mehr Aufklärung – das ist Stahmers Parole. „Es ist ein enorm emotionsbeladenes Thema“, stellt Ingrid Stahmers persönliche Referentin Barbara Westhoff fest. „Man kann so ein Gesetz nur verabschieden, wenn es auch von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wird“, meint die Nichtraucherin. Restaurants und Kneipen sollen erst gar nicht in eine Regelung für rauchfreie Zonen einbezogen werden. „Dann wären alle Raucher auf den Barrikaden.“
Ein Nichtraucherschutzgesetz hätte im Abgeordnetenhaus keine Chance, so Ulf Hermann, der Sprecher des Gesundheitssenators. „Dafür bekommen Sie quer durch die Parteien keine Mehrheit zustande.“ Auch über die Auswirkungen eines solchen Gesetzes gibt sich der Nichtraucher illusionslos: „Mit Verboten erzielen wir keinen Effekt.“ Der Schutz der Nichtraucher sei Sache der Betriebe, meint Hermann.
Doch da sieht es mau aus. Alleiniger Vorreiter in Berlin ist die US- amerikanische Computerfirma IBM. Hier gilt seit Anfang Januar striktes Rauchverbot. Raucher müssen ins Raucherzimmer.
Eine „intensive Prüfung“ eines Nichtraucherschutzgesetzes ist von der Senatsverwaltung für Soziales erst nach den Wahlen zu erwarten. Und auch Eltern, die ihre Kinder vollqualmen, will Sozialsenatorin Stahmer nicht zu nahe treten. „Ich gehe nur so weit, Eltern um Rücksicht auf ihre Kinder zu bitten“, antwortete sie auf die Anfrage eines Bürgers.
Einer, der da etwas weiter gehen will, ist der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, Bernd Köppl; nach Auffassung einiger Fraktionskollegen sogar zu weit. In seinem Entwurf für ein Nichtraucherschutzgesetz hatte Köppl zum Schutz von Kindern vorgesehen, daß das Jugendamt gegen rauchende Eltern einschreiten kann. Sie sollten Rauchverbot bekommen, wenn ein Arzt bei den Kindern körperliche Schäden feststellt, die auf Passivrauchen zurückzuführen sind. Köppls Grundgedanke: In der Gesellschaft müsse sich die Erkenntnis durchsetzen, daß die Schäden, die durch Passivrauchen entstehen, ebenso wie Prügel eine Körperverletzung darstellen.
In der Fraktion führte der Entwurf in der vergangenen Woche zu einer hitzigen Debatte, bei der sich Gegner und Befürworter eines Nichtraucherschutzgesetzes in ungewöhnlichen Konstellationen solidarisierten. Daß Linke wie Judith Demba den Realo Köppl unterstützen, hat schon Seltenheitswert. Eine Reihe bündnisgrüner Abgeordneter, darunter Wolfgang Wieland, lehnten Köppls Vorschläge als Eingriff in die Privatsphäre entschieden ab. Derart unter Beschuß geraten, wird der Gesundheitspolitiker der Fraktion heute einen entschärften Entwurf zur Abstimmung vorlegen. Dorothee Winden
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